192 Aus dem Morgenlande. Jin Fai;u»l. Abseits von dein eigentlichen Nilthale in westlicher Rich tung von Mittelägypten gelegen bildet das sogenannte Faijum oder auf gut deutsch „das Seeland" eine große rings von Höhenzügcn der libyschen Wüste umschlossene Oase von etwas mehr als 1200 Kilometer ins Geviert Flächeninhalt. Der Strom der Reisenden, welche Jahr aus Jahr ein die winter liche Pilgerfahrt auf dem heiligen Strome zurücklegen, berührt dies schöne Stück Erde nur selten, das unter sämtlichen Pro vinzen geradezu als diePerlebezeichnet zu werden verdient. Und nicht die gütige Mutter Natur hat ihr freiwillig diesen Vorzug verliehen, sondern der Mensch vor mehr als viertausend Jahren war cs, der die Schöpfung des Faijum ins Leben rief und eine sandige unsruchtbareOase zu einem Paradiese umwandelte. Wie dies geschehen, das haben die Forschungen der Gelehrten mit großem Scharfsinn nachgewiesen. Bereits um das Jahr 2500 v. Ehr. war vom Nilstrome ein wasserreicher Kanal — es ist derselbe, welcher heute den Namen des Josephskanals trägt — in das Sandbecken der späteren Oase eingeleitet worden, um den dürren Erdboden zu befruchten und auf die Wüste die Schlammdecke des Niles auszubreiten. Der Segen des Werkes ließ nicht auf sich warten, denn reiche Ernten lohnten den Fleiß des Landmannes. Es war zugleich ein Triumph der ältesten Kunst des Wasserbaues, diesen Kanal mit einem künstlichen Wasserbecken von gewaltiger Ausdeh nung zu verbinden. Die darin infolge der jährlichen Nilüber schwemmungen angesammelte Wassermenge, welcher Schleusen- ^ Werke den freien Abzug strahlenförmig nach allen Richtungen hin gestatteten, reichte aus, um das gesamte „Seeland" zu berieseln und in den Jahren der Not vielleicht dem Nil selbst einen Teil des von demselben empfangenen Geschenkes zurück zugeben. Vom Herodot an bis zum Plinius hin ist das