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184 Der Gaiichv und sein Messer. >6. Buch. ohne irgend welchen Grund mit einem Unbekannten zu messen; er spielt um Messerstiche, wie er Würfel spielt. Das Alles ist so tief mit dem innersten Sein des Gaucho verwachsen, daß ein Ehrenpunkt über das Messerfcchten, eine Art von Comment, ein festgcstellter Brauch sich ge bildet hat. der ausdrücklich verlangt, daß man des Gegners Leben schone. In anderen Ländern greift man wohl zum Messer, um zu tödten, der Gaucho dagegen zieht es hervor um Wunden auszntheilen. Er muß sehr stark betrunken sein und einen Gegner ingrimmig hassen, wenn er ihm wirklich nach dem Leben trachtet. Seine Absicht geht sonst lediglich dahin, ihn zu zeichnen, ihm einen Schnitt ins Gesicht zu geben, der allzeit sicht bar bleibt; man findet deshalb viele Gauchos mit einer Menge von Narben, die aber nur selten tief sind. Denn man sucht den Kainpf um zu glänzen und Ruhm zu erwerben. Es ist etwa wie das Renommiren mit der Klinge aus deutschen Universitäten. Wie auf diesen sich um die „Pau kanten" ein Zusckauerkreis neben der Mensur bildet, so auch bei den Gau chos in einer Pulperia auf den Pampas. AllerAugen folge» dem Blitzern der Messer, die in raschester Bewegung sind. Erst wenn reichlich Blut stießt, werden die Gegner auseinander gebracht. Ereignet sich eine Des- gracia, ein Mord, so hat nicht der Todte, sondern der Ueberlebende aus allgemeine Theilnahme zu rechnen, und man ist ihm zur Flucht behilflich: dann wird er wohl von den Dienern der Gerechtigkeit verfolgt, er geht ihnen aber nicht allemal aus dem Wege, und gewinnt weit und breit Ruf und Ansehen, wenn er es mit den Soldaten aufnimmt („8i eorrs g lg xgrlickg"). Im Fortgange derZeit wird dann ein solches Abenteuer ver gessen ; es ist inzwischen wohl ein anderer Richter ins Land gekommen, und der Flüchtling darf wagen, sich wieder in seiner Heimat zu zeigen. Damit hat die Sache ein Ende. Einen Menschen tödten gilt eben für ein Misgeschick; nur darf es nicht so häufig Vorkommen, daß der Thäter als ein eigentlicher Mörder angesehen wird; dann flößt er nicht mehr Theil nahme, sondern Abscheu ein. Don Manuel de Rosas, der später fast zwanzig Jahre lang Bue nos Ayres als Dictator beherrschte, hatte aus seinen Estancias förmliche Asyle für Mörder; aber niemals hat er einen Dieb in seinem Dienste zugelassen. Rosas, der jetzt in England als Verbannter lebende Viehzüchter, war das reckte Ur- und Vorbild eines Gaucho, der beste Reiter in der Welt.