Charakter des Gaucho. 170 j6. Buch. einen einzigen Angenblick nicht aufpaßt. Der Bewohner der Pampas ist ein völlig unabhängiges Wesen und lebt im Müssiggange. Als Mann tritt der Gaucho ins öffentliche Leben ein, falls über haupt von einem solchen die Rede sein kann. An diesen Leuten ist nichts Spanisches mehr als die Sprache, und was sie etwa noch vom Ehristcn- thum beibehalten haben. Man muß sie mit eigenen Augen beobachtet haben, um den hochfahrendcn, unbändigen Charakter zu begreifen, welcher sich bei diesen Leuten in jener wilden Statur hcrausarbeitet; — kräftige Gestalten mit vollem Bart und ernstem Ausdruck. Sie sind erfüllt von tiefster Verachtung gegen den Menschen, welcher in der Stadt friedlichen Beschäftigungen nachgeht, und der vielleicht manches Buch gelesen hat, sich aber nicht im Mindesten darauf versteht, einen wilden Stier einzu fangen oder ein ungebändigtes Pferd zu reiten; auch hat er gewiß Nie mals den Kainpf mit einem Tiger Aug in Auge bestanden. Der Gaucho thnt das; er wickelt seinen Poncho um den linken Arm, steckt diesen der Bestie in den Rachen und rennt ihr sein Messer in den Leib. Er ist ge wohnt, allen Widerstand zu besiegen, im Kampfe mit der Natur oben zu bleiben und ihr Trotz zu bieten; dadurch kräftigt sich seine Individuali tät ungemein, er steht durchaus aus eigenen Füßen. Die Argentiner aller Classen habe» eine große Meinung von der Wichtigkeit ihrer nationalen Stellung und gelten bei allen andern Ame rikanern für hochsahrend, dünkelhaft und anmaßend. Dieser Vorwurf ist begründet. Aber wehe dem Volke, das nicht an sich selbst glaubt! Der Gaucho erkennt Niemand auf Erden als höher stehend, und der Eu ropäer kommt gar in allerletzter Linie, denn er gilt für keinen guten Rei ter. In der gesetzgebenden Versammlung zu Buenos Ayres sprach Ge neral Mancilla während der ersten Blockade: „Was werden Euch denn diese Europäer anhaben, Leute, die nicht einmal eine einzige Nacht hin durch galoppiren können?" Und das Volk klatschte und rief rasend Beifall. Der Gaucho hat einen unbesiegbaren Widerwillen gegen unterrich tete Menschen; er mag weder ihre Kleider leiden, noch ihre Sitten und Lebensweise. Der argentinische Soldat ist mnthig, ausdauernd und fügt sich in alle Entbehrungen; er ist von früher Jugend daran gewöhnt, Vieh zu tödten, hat allezeit Blut fließen sehen und ist taub geworden ge-