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Vorschüsse nicht freien und eigenen Willens waren und die zunächst auf den Kolonien des Gründers des Halbpachtsystems, Berguciro, sich gedrückt glaubten und zum Theil gegen die Grundherren aufstanden, mußten, wenn ihre Lage wirklich eine so verzweifelte war, wie sie vielfach geschildert wurde, geschützt «erden. In erster Linie zählten zu diesen diejenigen schweizerischen Ausge wanderten, welche, meist hoffnungslose Gemcindearme, von ihren betreffenden Gemeinden die Vorschüsse zur Ueberfahrt erhalten hatten und als Halbpacht kolonisten in Brasilien lebten. Die Helvetische Republik entsandte daher erst den vr. Häusser, dann Hrn. v. Tschudi zur Untersuchung der Lage dieser Kolonisten nach Brasilien. Die Berichte beider meldeten, was vorauszusehen war: die geschlossenen Contracte führten wiederholt schreiende Mißstände so wohl für die Grundherren als auch für die Kolonisten herbei, gute und fleißige Kolonisten bei guten nnd redlichen Herren gediehen und kamen zum Theil bald aus der Abhängigkeit und zu einem sorgenfreien Leben nnd freien Besitzstand; schlechte und unfleißigc Kolonisten lebten mit schlechten und unredlichen Herren in den meist für beide Theile traurigsten Verhältnissen; brave nnd arbeitsaine Kolonisten wurden von harten und unehrlichen Herren schwer gedrückt und in dauernder Abhängigkeit gehalten; schlechte und faule Kolonisten waren braven und wohlmeinenden Herren eine unerträgliche, aussaugcnde Last. Es war eben in Brasilien unter solchen Verhältnissen, wie es überall in der Welt ist. Dagegen wurde ernst und fest von den Berichterstattern hervorgehoben, daß von einem Sklavenloose der Halbpachtkolonisten nirgends die Rede sein könne, daß im Gegentheil selbst diese Ausgewanderten bei weitem besser daran seien als tausend besitzlose arme Arbeiter in Europa. Doch werde es besser sein, die Verhältnisse zu lösen: im Principe wohlgemeint, stoße das System der Halbpacht in seiner Ausführung zu sehr auf menschliche Schwächen und Fehler und werde schwerlich jemals zu allgemeiner gegenseitiger Befriedigung führen. Zumal Hr. v. Tschudi, der sich am nachhaltigsten und eingehendsten mit der Untersuchung der Pareeriakolonicn beschäftigt hatte, machte diesen Ge sichtspunkt geltend, und die kaiserliche Regierung kam ebensowohl wie ein Theil der schweizer Gemeinden seinen Auseinandersetzungen entgegen, indem jene ebenfalls ihre Gesandten auf die Kolonie schickte und einen großen Theil der angesessenen, noch nicht bis zur Rückzahlung ihrer Schulden gediehenen Kolonisten auf freiem Lande ansiedelte, diese denselben ihre Vorschüsse erließen. Seitdem erstarb das System der Halbpacht und machte kaum noch von sich reden. Oder vielmehr es überschwemmte seit der Zeit die ganze Kolonisation Brasiliens. Denn jene anonymen Artikel in der deutschen Presse beschränkten sich seitdem nicht darauf, alles über die Pareeriakolonicn ungünstig Lautende allein zu verbreiten und zu übertreiben, dagegen die günstigen Nachrichten einfach todt zu schweigen, sondern sie dehnten all jenes Ungünstige, mit den unwahrsten Uebertreibungen ausgestattet, auf die Gesammtkolonisation Bra siliens aus und vermischten in der unlautersten Weise außerdem den Norden Brasiliens mit dem Süden, Alles in einem Lande, das beinahe die Größe von Gesammteuropa hat, mit den ungünstigsten Farben malend, die bald den Suinpfländereien der Tropen, bald den eigenen schwarzmalenden Uebcr- treibnngen und Phantasien entlehnt waren. Damals nahm Hr. Sturz auch die Provinz Rio Grande do Sul nicht aus; damals wurde Alles in einen Topf voll des wüstesten Gebräues geworfen. Umsonst bemühte sich die ge-