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Der: Der 29. Januar war ein kalter Wintertag. Schneeflocken sielen von dem bewölkten Himmel, den weißen Mantel der Erde noch dichter zu machen, damit die sprossenden Keime der Wintersaat um so besser geschützt würden vor der Kälte der rauhen Jahreszeit. Nur zuweilen bewegte ein Luftstoß die sinkenden Sternchen, daß sie wie im Tanze sich drehten, dann war wieder Ruhe in der Natur, und lautlos deckte eine Schneeflocke die andere. Am Muldenufer liegt ein kleiner gutgepflegtec Garten, des alten Herber einzige Freude. Es ist im Sommer ein herrlicher Platz, da flü stern ganz leise und kaum vernehmlich die spielenden Wellen der Mulde; der Strom gleicht hier einem großen Spiegel, der das Bild der gegen überliegenden, mit Baumen und Skrauchern kräftig und schön bewach senen, steil abfallenden Gehänge wiedergibr, und gern baden sich zur Sommernachtzeit die Sterne am Firmament in den fast ruhenden Flu chen. So still und heimlich es am Wasser ist, so hörst du doch das Rauschen und Brausen des Stroms, denn dreihundert Schritt unter der Gartenwohnung Herbers dämmt ein starkes Wehr die Fluchen in den Müblgraben, und die über die Räder, über das Wehr sich stürzen den Wellen geben das Bewußtsein einer bewegenden Kraft, die niren- artig in den feuchten. Tiefen zu schlummern scheint. Tritt in einer L E g- E L E Mondnacht hin an das Ufer, — still ist die Natur, die Blumen hauchen ihre Düfte aus, der Mond steht über dem Berge, die Baume schlafen, die Menschen ruhen, die Sterne leuchten, und in dieser Nachtruhe hörst du das Donnern des Wehrs und ergreift dich dieser Augenblick nicht, — dann, dann laß dick beklagen, die Natur ist für dich, du bist für die Natur verloren; armer, gefühlloser Mann. Noch war der Winter, heimisch in Herbers Garten, aber er konnte nicht lassen von seinen Bäumen und Blumen, und wehrte ihm der Winter im Garten zu arbeiten, so pflegte er in der Stube Rosen und Eamellien, Hyazinthen und Epheu, Rosmarin und Passionsblume, ja auch Passionsblume. Der alte Mann hatte in seinem Leben manchen Kummer und manchen Schmerz ertragen müssen und in frommer Er gebung hatte er die Prüfungen des Herrn hingenommen, und weil ihm so oft die Freude vergällt, die Hoffnung vernichtet und des Jubels schaumender Becher zerbrochen worden war, darum zog er unter seinen Blumen die Leidensblume mit, sie sollte ihn stets erinnern und gemah nen, daß wir nie schmerz- und kummerfcei leben, daß jede Stunde eine Trauerbotschaft bringen könne. Es litt den alten Herber nicht in der Stube, er mußte hinaus in den winterlichen Garten, er mußte seine Bäume besuchen. Blatt- und :r