Statistische Notizen über die Kirchen Zwickaus, Schloß Öfterstem und Kreiskrankenstift. 1. Die Marienkirche. Die Haupt- und Pfarrkirche der Stadt Zwickau ist die Kirche zu St. Marien, früher auch zu unserer lieben Frauen und gegen wärtig im gemeinen Leben die große oder obere genannt. Sie ist eines der schönsten Denkmäler altdeutscher Baukunst und eines der größ ten Gotteshäuser Sachsens. Ihre Gründung verdankt sie einer Gräfin Bertha v. Groitzsch, die zu Anfang des 12. Jahrhunderts die Stadt und Umgegend als ein böhmisches Lehen besaß; laut einer alten Urkunde wurde sie am I. Mai 1118 vom Bischof Dietrich von Naumburg ein geweiht. Von diesem uralten Gebäude ist aber jetzt fast gar nichts mehr vorhanden; nur das unterste Mauerwerk auf der Westseite, der Unterbau des Thurmes und die dem byzantinisch-maurischen Baustyle jener Zeit entsprechenden Säulen im Innern der Kirche sollen noch Ueberbleibsel jenes ursprünglichen Baues sein. — Mehrere große Brände machten in den Jahren 1328, 1383 und 1103 umfassende Neubaue nöthig. In den Jahren 1453—1470 wurde der gegenwärtige Allar- platz angebaut, und einige Jahre später (1479) die Ausschmückung des Altars durch Gemälde und Bildhauerarbeil vollendet*). Im I. 1596 ward eine Erweiterung des Kirchenschiffs vvrgenommen, welche mit meh reren Unterbrechungen an 30 Jahre währte und der Kirche ihre gegen wärtige Gestalt verlieh. In den Jahren 1839—1841 nahm man im Innern der Kirche eine umfassende Restauration vor, dmch welche der schöne Bau in seiner ursprünglichen Reinheit wiederhergestellt ward. Als ganz neu? Zuthaten kamen dabei nur die große und trefflich ge baute Orgel und das Orgelchor, mit einer dem Ornamentenstuhle der steinernen Emporen entsprechenden, sehr kunstreich und geschmackvoll aus Holz geschnitzten Brustwehr, zu dem Vorhandenen hinzu; im Uebrigen *) Bgl. darüber und über die Kirche überhaupt: „Drei Lage in Zwickau." Licfcr. 5. S. 67. fens und eine der schöneren Deutschlands. eckigen Pfeilern, welche den innern Raum in drei Schiffe abkheilen; an einem derselben ist die Kanzel angebaut. Außer der architektonischen Schönheit zeichnet sie sich noch durch viele werthvolle Alterthümer aus dem Gebiete der Malerei und Bildhauerkunst aus und besitzt sehr schöne Altargesäße. Der nach neueren Messungen 314 Fuß hohe Thurm, welcher an der Westseite des Gebäudes sich erhebt und in seinem Erdgeschosse das schöne Hauptportal der Kirche enthält, steht in seinem Mauerwerke seit 1383; der allerunterste Theil soll sogar, wie schon erwähnt, noch von dem ersten Baue des Jahres 1118 herrühren. Früher hatte der Thurm eine mit dem Baustyle der Kirche nichr übereinstimmende alldeutsche Spitze. Diese wurde am 17. April 1650 durch den Blitz zerstört, wo bei der ganze obere Theil, bis auf das oberste achteckige Stockwerk des Gemäuers herunter abbrannte. Der Neubau wurde im Jahre 1673 vollendet und wird von Sachverständigen als ein Meisterstück in Be zug auf technische Ausführung und dauerhafte Festigkeit gerühmt. Der Bau selbst ist von Holz, die Bedachungen von Kupfer. Von den beiden Durchsichten aus genießt man einer reizenden Aussicht über die Stadt und Umgegend. Von den drei Glocken soll die größte auch die größte in ganz Sachsen sein; sie ist 6 Fuß hoch, hat einen Durchmesser von 7 Fuß und wiegt 115 Eentner. An dieser Kirche sind drei Prediger, der Pfarrer und Superinten dent, der Archidiakvnus und der Diakonus, ferner ein Eanior und Musik- 10