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'-l' ' W«> L « 4022 Preußischen Truppen bald »ach deren Ankunft drei Mann unter den Symptomen de- Brechdurchfall- erkrankten und in besonderer Rücksicht darauf, daß die Ostseeprovinzen von der asiatischen Cholera mehr oder weniger heimgesucht sind, sofort au- der Caserue de- EchlosieS Pleißenbura entfernt und in da- städtische Krankenhaus getrennt von den übrigen Kranken ausgenommen wurden. Seitdem sind noch mehrere Soldaten derselben Truppen von der Choleriue befallen und ebenfalls in letzterwähnte Anstalt zur Cur gebracht worden. SLmmtliche ErkrankungSfälle haben jedoch einen günstigen Verlauf genommen; bei allen Erkrankten steht eine baldige Genesung in Aussicht. Die- ist der wahrheitsgetreue Sachverhalt. Demselben widersprechenden übertriebenen Gerüchten ist daher Glauben nicht beizumefsev. Leipzig, den 27. Ium 1866. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Koch. Schleißner. Aadttheatrr. Fräul. Hedwia Raabe hat in den letzten Tagen mehrere ihrer glänzendsten Leistungen, so „die Grille", Lorle in „Dorf und Stadt", Marie in „Feuer in der Mädchenschule" u. s. w., wiederholt unS vorgeführt und auch an all diesen Abenden den gewohnten reichen Beifall gefunden. Wir möchten jedoch fragen, ob solche Reprisen in gegenwärtiger schlimmer Zeit, wo eS wirk lich schon sehr viel heißt, wenn eme Vorstellung das Hau et n m a l füllt, gerade rathsam seien? Immer neue Abwechslung scheint unS jetzt dringender al- je geboten. Wenigstens der Beginn der SonntagSaufführung (24. Juni) brackte eine von Fräul> Raabe hier bisher nicht gespielte Rolle, die Mathilde in Moritz HartmannS ziemlich dürftigem und un interessantem Lustspiel „Gleich und Gleich". Diese Partie allein vermag da- Stück zu retten und über Wasser zu Hallen, wenn sie nämlich in den Händen einer Künstlerin, wie eben unser Gast. Wir sahen sie im vorigen Sommer von Fräul. Auguste BaudiuS, und wenn wir dem, waS Letztere gab, die gebührende Achtung auch nicht versagen konnten, so bleibt eS, wie wir nun inne werden, doch weit zurück hinter der mit allen Reizen lieblichster Mädchenhaftigkeit fast verschwenderisch reich geschmückten Gestaltung, zu welcher jene Mathilde durch Fräul. Raabe erwuchs. ES ist ein Geheimniß des Genius, Töne reizendster Naivetät und hol dester Wahrheit für Worte zu finden, die bei jeder Anderen nur forcirt, gemacht, altklug klingen. Hartmanns Lustspielheldin ist am Ende nichts als eine moderni- sirte Gurli, die mit ihrer erlogenen Theaterunschuld sich gleichfalls dem ersten besten Mann an den Hals wirft — aber wie adelt die poetische Kunst des GasteS diese ordinäre Erfindung! Wir glauben uns in der Thal fähig, selbst noch einmal das Kotzebue'sche Urbild jener Figur, wie es „ Die Indianer in England" enthalten, zu ertragen, wenn Hedwig Raabe sich dazu verstehen wollte als „Prinzessin von Mysore" zu erscheinen. Doch Scherz bei Seite, und damit wir aus der Tiefe wieder in die Höhe steigen, warum fehlte im hiesigen Gastspiel der genannten Dame noch eine echt dichterische Perle de- naiven Repertoires, die Marianne in Goethe's „Geschwistern"? — Die gefälligen Leistungen der übrigen im Hartmannschen Stück Beschäftigten haben wrr schon daS vorige Mal besprochen; auch heute sind Fräulein Huber (Gräfin), Frau Günther-Bachmann (Gouvernante), sowie die Herren Hock (Baron Walden) und Herzfeld (Leutnant v. Secking) mit An erkennung zu erwähnen. Der nach dem Schluß des HoftheaterS von Dresden zurück gekehrte Herr Gustav Roger gab am 25. Juni den „Fra Diavolo" und enthusiasmirte damit das in wenigstens leidlicher Zahl anwesende Publicum wieder bedeutend. Die Rolle bot ihm nicht nur emen äußerst günstigen Boden für volle Entfaltung der ihm verbliebenen Stimmmittel, sondern eS ward ihm auch reiche Gelegenheit gegeben, durch ausgezeichnet technischen Vortrag und höchst gewandtes, dramatisch-belebtes Spiel zu glänzen. Hinter der Tournure des feinen Mannes ließ er sehr gut den Räuber nur gleichsam hervorschielen, und Spott, Hohn, Bosheit seine- Fra Diavolo hatten mit dem Stolz, der Eleganz und Geschmeidig keit seines Marquis San Marco eine wirklich interessante Con- ferenz. Jedenfalls ist Roger auch heute noch einer der Haupt matadoren im Fache des Spieltenors und wir versprechen uns von seiner nächsten Rolle, „Johann von Paris" — wenn er nämlich sich wirklich zu noch weiterem Auftreten entschließt —, wohl nicht mit Unrecht einen neuen erheblichen Kunstgenuß. Das Ensemble der Auber'schen Oper war im Ganzen recht gelungen. Mit viel Humor gab Herr Becker seinen Engländer und die Pamela der Frau Günther-Bachmann hätte eS be greiflich gemacht, daß um sie geworben worden wäre auch ohne diebische Absicht. Ein reizendes, graziöses und decenteS Zerlinchen in Gesang und Erscheinung war Frau Dumont, Herr Schild (Lorenzo) erfreute mit seiner anmuthend lyrischen Stimme, und da- Banditenpaar (Herr Hock und Herr Engelhardt) ersetzte durch Laune im Spiel, waS vielleicht am Organ fehlte. Auch die Chöre hielten sich brav. Von dem einst viel Aufsehen machenden Genrebilde des Düsseldorfer Rudolf Jordan: „Der HeirathSantraa auf Helgoland" hat Louis Schneider seiner Zeit bekanntlich die Veranlassung zu einem gleichnamigen dramatischen Gemälde her genommen, in dem die Gestalten der Malerei mit viel Geschick redend eivgeführt sind, wenn auch zu bedauern ist, daß der Rah men zu groß geneth. Die AuSspiunung in zwei Acte gereicht dem von Anfang an recht unterhaltenden und durch lebenswahre Charakteristik fesselnden Stücke zum entschiedenen Nachtheil; eS hcttte nur daS Hauvtmotiv festgehalten, alle Zuthat aber als mehr oder weniger unwesentlich bei Seite gelaffen werden sollen. Wir sahen den „HeirathSantrag" auf hiesiger Bühne nicht seit dem Sommer 1854, wo Ottilie Berg unvergessenen Angedenken- als Cläre zum ersten Mal vor unserem Publicum debutirte. Am 26. Juni spielte die Rolle nun Frl. Hedwig Raabe und ge wann sich auch damit die Herzen aller Anwesenden. DaS an- muthige Fischerkind des Bildes stand in greifbarster und einneh mendster Gestalt vor uns, die köstlichsten Züge und Nuancen drängten sich und ein Reichthum naivpoetischer Anschauungen und Empfindungen ward entfallet, der uns staunen darüber machte, was eine geniale Schauspielerin auch aus scheinbar unbedeutenden Vorwürfen und Aufgaben sich zu entnehmen versteht. Ueberhaupt war die Darstellung eine recht gelungene; man spürte gleichsam Seeluft darin, sie traf den Localton. Herr Hock als autge wetterter und -getheerter Hochbootsmann, Herr Herzfeld ÄS lustiger und treuherziger junger Matrose, Herr Gitt als dumm pfiffiger „Vater Peter Pump" nebst feinem bornirten „HanneS" (Herr Engelhardt) — sie Alle verdienten den Beifall, der ihnen in reichem Maße gespendet ward. Es folgte Carl BlumS nun doch schon recht veraltetes und nur noch wenig amüsantes Lustspiel: „Ich bleibe ledig". Namentlich die carikirten Partieen des Freiherrn und der gefall süchtigen Närrin Katharina stoßen ab. Frau Günther-Bach- mann konnte trotz alles Aufwandes ihrer Künstlerschaft mit dieser odiösen Figur nicht versöhnen und Hrn. Hock fehlte einigermaßen der aristokratische Pli. Daß Hedwig Raabe auch der Caroline den ihr eigenen Zauber lieh, erscheint selbstverständlich. Recht gewandt und den verschiedenen Situationen angemessen bewegten sich die Herren Stürmer (Rautenkranz), Hanisch (Ludwig) und Link (Gustav). Als gewitzigte Zofe Sabine gab Fräul. Guinand bisher ihr Bestes. — Zwischen beiden Stücken sahen wir ein „ kas äo eiuq ", worin die betreffenden Mitglieder unser- Ballet- zeigten, in welche gute Schule sie bei Frl. Oehlker gehen. vr. Emil Kneschke. Oeffeutliche Gerichtssitzungen. Leipzig, 27. Juni. Von den beiden heute Vormittag unter dem Vorsitz des Herrn Gerichtsraths Ledig und bei Vertretung der Anklage durch Herrn Staatsanwalt Hoffmann abgehaltenen Hauptverhandlungen war die erstere gegen den wegen Eigenthums verbrechen bereits vier Mal bestraften Tapezier Friedrich Wilhelm Beyer von hier, 25 Jahre alt, gerichtet. Demselben fiel zur Last, am 28. v. Mts. bei Gelegenheit eines Ausgangs aus dem Georaen- hause, in welchem er damals detinirt gewesen, einem hiesigen Ausschnitthändler durch Vorzeigung eines von ihm, dem Ange klagten, selbst unter einem falschen Namen gefertigten schriftlichen Nachweise- über erlangte Beschäftigung 1 Thlr. 24 Ngr. behufs Anschaffung von Handwerkszeug abgeschwindelt und diesen Betrag sofort verthan zu haben. Er wurde wegen ausgezeichneten Be trugs zu einer unter einer Drittheilsschärfung zu verbüßenden sechsmonatlichen ArbeitShauSstrafe verurtheilt. Mit der gleichen Offenheit, wie Beyer, räumte auch der wegen Diebstahls bereit- bestrafte Schriftgießer Georg Fleischhauer auS Hildburghausen, 20 Jahre alt, die ihm beigemeffenen Verbrechen ein. Nach der Anklage hatte er am Nachmittage des 13. März d. I. unter Production eines von ihm zu diesem Zwecke gefälschten Scheines in einer auf der Hainstraße belegenen Wäschehandlung drei Hemden zur Probe verlangt und erhalten, später aber dieselben zurückge bracht und von der einen Sorte ein Dutzend, so wre überdies noch vier feinere dergleichen, im Gesammtwerthe von 25 Thlr. 15 Ngr. für seinen Auftraggeber, einen Spediteur Schulze, mü dem Be merken verlangt, daß die Zahlung sofort bei Ueberbringung der Hemden erfolgen werde. Der Vorsicht halber gab indessen dem angeblichen „Ausläufer" de- Spediteurs die Inhaberin deS Ge schäft- eine ihrer Näherinnen rur Begleitung mit. Fleischhauer wußte ihr indessen auf der Geroerstraße zu entfliehen, nachdem er ihr die vier einzelnen Hemden zurückgegeben hatte. Als er als bald darauf bei einem Schneidermeister auf der Burgstraße da- Dutzend Hemden verpfänden wollte, stieß er auf Schwierigkeiten und entfernte sich unter Zurücklassung der Wäschstücke. Der zweite Anklagepunct bezieht sich auf einen von ihm in der Nacht vom 21. zum 22. April d. I. verübten Diebstahl. Fleisch hauern war im Gafihofe zum blauen Harnisch zur Nachtruhe ein