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16 des nördlichen und südlichen Amerika, vor Humboldt's philolosophischem Geist und sein klarer Blick erkannte rasch die Tragweite der Folgerungen, die sich aus dem unverhofft gebotenen Gewinn mischungsreiner und originell ausgeprägter Vergleichungsobjekte ergeben würden, um durch eine mit den Gesichtspunkten wechselnde Beleuchtung die Vorgänge zu erhellen, die in der Morphologie unseres eigenen Geschichtsorganismus zu Tage treten und das Wachsthum desselben regieren. Gleiche Ideen-Combinationen weckten die Eindrücke der asiatischen Reise, wo Humboldt bis an die Markscheide westlicher und östlicher Cul- turgeschichte vorgedrungen, den partikularistisch einseitigen^) Standpunkt bisheriger Geschichtsbetrachtung mit seinem naturwissenschaftlichen Sinne nicht zu vereinbaren wußte und umsonst zu begreifen suchte, weshalb die comparativen Hülfsmittel, denen alle übrigen Disciplinen die werthvollsten Aufschlüsse verdankten, von dem Historiker allein verschmäht werden sollten. Oft und wiederholt hebt er es hervor"), daß wie die Zendbücher Jran's, die Vedas des alten Indiens, auch China's Chroniken, japanesische und javanische Annalen herbeigezogen werden müßten, um ihre Ergebnisse für das Verständniß der Motive zu verwerthen, die seit früher Vorzeit die Geschicke Asiens bewegten und zu unserer Tazesgeschichte umgestalteten. Während die Geographie von Eroberung zu Eroberung schreitet und ihre Herrschaft bereits über den ganzen Erdkreis ausgedehnt hat, bleibt die Geschichte, die wir in sonderbarem Bombast eine Weltgeschichte nennen, noch immer auf die enge Umgrenzung des Alterthums beschränkt und wagt es kaum, den Oceanos desselben zu überschreiten. Welch' weite Perspectiven würde sich dagegen dem historischen Blick eröffnen, wenn die Phaenomenologie des Menschengeistes, dessen Entwickelung eben die Geschichte bildet, nicht nur in dem uns schon bekannten Prozeß beobachtet werden sollte, sondern noch in einer Vielfachheit ähnlicher Wandlungen, die durch Vergleichungen aufklären und zu weiteren Schlüssen führen müßten. Die europäische Kultur geschichte, die in den angrenzenden Ländern Afrika's und Asien's wurzelnd, sich bis zu den Küsten Amerika's verzweigt hat, gleicht einem jener Riesenbäume im Gebirge, die für Jahrhunderte und Jahrtausende fortwachsen, und wenn sie vielleicht nur einmal innerhalb der Dauer einer Menschengeneration, deren Jahre ihre Tage bilden, Früchte tragen sollten, schwer in ihrer Pe- riodicität zu überblicken sein würden. In den ethnologischen Völker- und Stammesgeschichteu dagegen haben wir pflanzliche Organisationen '") vor uns,