Einleitung. Wenn wir die bedeutenden allgemeinen Fortfehritte auf dem Gebiet der kosmifchen Phyfik, welche als ein Hauptzweig der allgemeinen Erdkunde die Gefetze der Experimentalphyfik in ihrer Anwendung auf den Kosmos betrachtet, feit dem Be ginne unferes Jahrhunderts überblicken, wenn wir der forg- fältigen Pflege gedenken, deren fleh diefe Wiffenfchaft heutzu tage erfreut, fo mufs uns gewifs die Wahrnehmung befremden, dafs gleichwohl die Entwickelung eines der wichtigften geo- phyfifchen Begriffe, des Problems der Schneegrenze, in der Gegenwart fo wenig gefördert worden ift, dafs wir eher von einem Riickfchritt als von einem Fortfehritt reden können. Diefe Thatfache erfcheint uns um fo auffallender, als das wiffenfehaft- liche Fundament, auf dem fleh die erften Gedanken über die Schneegrenze aufbauten, fowie ferner die eingehende Unter- fuchung, die das Phaenomen t 820 durch A. v. Humboldt erfuhr, unterem Begriff eine ftetige Fortbildung für die Zukunft zuzu- fichern fchienen. Gleichwohl haben die heutigen Anfichten über die Schneegrenze keineswegs fleh über das Niveau der Hum- boldt’fchen Anfchauungen zu erheben vermocht, fie find im Gegentheil noch fo unklar und fchwankend, dafs wir einem wiffenfchaftlichen Bedürfnifs zu entfprechen glauben, wenn wir die gefchichtliche Entwickelung des Begriffs feit feinem erften Auftauchen in der physikalifchen Geographie einer forgfaltigen Betrachtung unterziehen. Die Aufgabe unterer Einleitung wird nun darin beftehen, den gegenwärtigen allgemeinen Standpunkt unferer Frage kurz zu charakterifiren und zu kritifiren. Was verfteht man heutzutage unter Schneegrenze? Halten wir uns zunächft an die Definition. Julius Hann fl ift der Anficht, dafs wir als Schneegrenze „die untere Grenze der perennirenden Schneedecke des Hoch gebirges oder die durchfchnittliche äufserfte Seehöhe, bis zu fl J. Hann: Handbuch der Klimatologie. Stuttgart 1883, S. 190.