II. Abschnitt. Eie Entwickelung des Begriffs der Schneegrenze von de Saussure bis auf A. v. Humboldt, 1780—1820. Wenn wir in unferer erften Periode feit Bouguer in der begrifflichen Entwickelung der Schneegrenze bisher keinen wefentlichen Fortfehritt konftatiren konnten, fo liegt der Grund hierfür in der äufserft geringen Erweiterung unferer Kenntniffe über das Hochgebirge. Wir können wohl ohne Uebertreibung fagen, dafs das Wiffen über die phyfifche Be’fchaffenheit der Alpen von Scheuchzer bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus faft ftationär geblieben ift. Erft um das Jahr 1780 etwa nahm die Erforfchung des Hochgebirges einen bedeutenden Auffchwung unter dem be rühmten Genfer Phyfiker und Naturforfcher de Saussure. „De Saussure,“ fagt Studer 1 ), „ift der Begründer der Phyfik des alpi- nifchen Hochgebirges, der Kenntnifs feiner geologifchen Struktur, feiner Steinarten, feiner Warmeverhältniffe und atmofphärifchen Zuftände. Bei ähnlichem Streben wie Scheuchzer überragt er diefen um die ganze hohe Stufe, auf welche die Phyfik im Laufe eines Jahrhunderts erhoben worden war.“ Hatte fich Scheuchzer auf feinen Alpenreifen mit dem Sammeln zufälliger, gleichfam im Fluge erhafchter Beobach tungen begnügt, fo tritt bei de Saussure die ftreng wiffenfehaft- liche Forfchung in den Vordergrund. Geftützt auf die wichtige Reform, die die barometrifche Höhenmeffung durch Deluc erfuhr, fowie auf eigene geniale Erfindungen neuer phyfikalifcher Apparate, (wir denken nur an das nach ihm benannte Hygro meter), bahnte fich de Saussure den Weg in der Forfchung durch beftimmte Methoden und fuchte feine Hauptaufgabe darin, die Beobachtung der Entdeckung allgemeiner Naturgefetze dienftbar zu machen. Hervorragend durch geiftige Eigen- fchaften übertraf er gleichzeitig auch durch körperliche Leiftungs- fähigkeit feine Vorgänger und Zeitgenoffen, da er weit kühner als Scheuchzer, Jetzier und felbft Deluc in die höchften und ] ) Studer: Gefch. d. phyf. Geogr. d. Schweiz, S. 415.