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27 Auch der Umftand, dafs viele Reihen gleichhoher Berge in den Alpen hinter einander ftehen und daher nicht in gleicher Weife von der Sonne beftrahlt werden, trägt nach Grüner dazu bei, dafs der Schnee fich dauernd noch jenfeits der Froftgrenze erhält. Der hohe Werth, den die Gruner’fchen Anfichten für die Schneegrenze haben würden, wird indefs getrübt durch die Ungenauigkeit in der Ausdrucksweife, dafs die hohen Berge „manchmal bis an ihre Fülse mit Schnee bedeckt bleiben.“ Laffen uns doch die noch immer herrfchenden Unklarheiten über das Verhältnifs von Schnee zu Gletfchereis vermuthen, dafs Grüner das Ende des Gletfchers mit der Schneegrenze ver- wechfelt habe. Hatte noch Altmann 1 ) Firn mit Gletfchereis, Bergkryftall mit verhärtetem Gletfchereis gleichfetzen können, fo beweift wohl die Gruner’fche Eintheilung der Gletfcher in Gletfcherberge, Eisfchründe, Eiswände und Eisflächen am deut- lichften, dafs man noch immer auf dem Standpunkt eines Simler und Scheuchzer ftand, dafs man noch immer an das Vorhanden fein von Eisbergen glaubte, die ganz aus Eis beftänden. 2 ) So lange man noch Firn mit Gletfcher, Schneeberg mit Eisberg verwechfelte, müffen wir auch allen Unterfuchungen über die Schneegrenze mit gröfster Vorficht begegnen. Als Vorläufer der herannahenden Aufklärungsperiode in der Gletfcherforfchung nennen wir hier an diefer Stelle Bordier und Deluc 8 ), welche beide mit „glaciere“ die Firn(Schnee)bedeckung des Hochge birges im Allgemeinen, mit „glacier“ den zu Thal gehenden Gletfcher bezeichnen. Bordier, der in feinem Werk „Voyage pittoresque aux glaci£res de Savoye“ fchon eine fehr treffende Erklärung für die Bewegung des Gletfchers findet, indem er diefelbe mit der Bewegung einer zähflüffigen Maffe etwa des erweichten Wachfes (cire amollie) vergleicht, gebraucht das Wort „glaciere“ noch in der befonderen Bedeutung als Sammel gebiet des Firns (und Gletfchers). „Diefelbe Fürforge,“ fagt er, „welche einzelne Liebhaber von Luxus tragen, um fleh Eis im Sommer zu erhalten, trifft die weife Natur, um jene Eismaffen zu conferviren, die nöthig find, um unabläffig Ströme wie die Rhone oder die Arve zu bilden und zu nähren.“ 4 ) Bordier ift auch der erfte, welcher nach Simler wieder mit allem Nachdruck auf die Bedeutung des atmofphärifchen Niederfchlags für die Entwickelung des Gletfchers hinweift. Erft langjährige meteorologifche Beobach- 1) Altmann; Verfuch einer hiftor. u. phyf. Befchreibung der helvet. Eis gebirge 1751, S. 3. 2 ) Grüner a. o. O. S. 2 u. 3. 3 ) Deluc: Lettres phys. et morales 1778, S. 137, cf. Studer a. o. O. S. 355. 4 ) Bordier: Voyage pittoresque aux glacieres de Savoye 1773, S. 246. 3*