22 zu thun. Wenn diefelben nun auch für die geographifche Wiffen- fchaft werthlos find, fo haben fie für uns doch eine ganz be- fondere Bedeutung. Können wir doch auf diefe Zahlen geftützt verfuchen, uns den Ideengang Bouguers zu reconftruiren. Wir kommen dabei zu dem Urtheil, dafs feine Anfchauungen von der Schneegrenze nichts waren als eine rein phyfikalifche Hypo- thefe. Ausgehend von dem, was fich dem Auge fichtbar dar bot, der Schneelinie in den Cordilleren, glaubte er, dafs die Schneegrenze oder, was bei ihm ja daffelbe war, die Froftgrenze fich für jeden Punkt der Erdoberfläche mathematifch feftftellen laffe. Ihre Höhe würde für eine gegebene geographifche Breite fich durch die Formel ausdrücken laffen: H = t. 750 Par. Fufs, 1 ) wobei t die mittlere Jahrestemperatur der betreffenden geogr. Breite (nach Reaumur) bezeichnet und eine Temperatur erniedrigung um i° R auf je 750 Fufs (244 m) angenommen wird. Der Froft umgiebt nun im Sinne Bouguers in gefchloffener Form etwa von der Geftalt einer polar abgeplatteten Hohlkugel oder eines Rotationsellipfoids den Erdball. Seine untere Grenze ift Schneegrenze und Froftgrenze. Diefe Vorftellung müffen wir 'auch vorausfetzen, wenn wir in dem Regifter zu „La Figure de la Terre“ angekündigt finden „De la ligne ou surface courbe qui paffe par le bas de la neige.“ Von diefer gekrümmten Ober fläche ift jedoch in der Darftellung nirgends die Rede. Wir fehen, zu welchen Confequenzen die irrige Anfchauung führte, dafs Schneegrenze identifch fei mit Froftgrenze; bewirkte fie doch, dafs man ein einmal beobachtetes Phaenomen der Natur auch da mit Beftimmtheit vorausfetzte, wo es unferer finnlichen Wahrnehmung völlig verborgen blieb. Die Schneegrenze Bou guers ift als ein idealer Begriff überall auf der Erde vor handen; fie tritt aber nur in dem Falle in die Erfcheinung, wenn ein Berg oder ein Gebirge hoch genug ift, um in ihr Gebiet hineinzuragen. Erft dann kann fie fich in Form einer Linie dem Auge darbieten. Einen eigenartigen Eindruck macht auf uns die Vorftellung Bouguers von einer doppelten Schneegrenze. Aufser der unteren, unferer Beobachtung zugänglichen Schneegrenze mufs es nach feiner Anficht auch eine obere geben, die wir nicht fehen, die wir aber mit Beftimmtheit annehmen müffen. Es ift erwiefen, dafs in einer gewiffen Höhe die Wolkenbildung aulhört, denn mit wachfender Höhe nimmt fowohl die Dichtigkeit der Luft wie auch der Dampfgehalt derfelben ab. Wir gelangen fchliefslich in Regionen der Luft, die fo kalt, fo dünn und zugleich fo trocken find, dafs fich nicht mehr „Dunftbläschen in Eiskryftalle >) Monatsberichte üb. d. Verhandl. der Gefellfchaft für Erdkunde, Berlin 1840, S. 23.