19 Jungen zu erwecken. So hielt Bouguer die Schneegrenze einer- feits für identifch mit einer Linie, oberhalb deren die Region des ewigen Froftes in der Luft beginne und glaubte demzufolge, dafs die Schneegrenze mit der Isotherme von o° zufammenfalle, andererfeits fuchte er die bedingenden Faktoren derfelben ausfchliefslich in den klimatifchen Verhältniffen. Und erft in unferem Jahrhundert konnte durch das forgfaltigfte Studium der Schneeverhältniffe in den Alpen fowie auch befonders im Polargebiet die orographifche Seite der Schneegrenze in ihrer vollen Bedeutung erfafst werden. Wir wenden uns nunmehr den Unterfuchungen Bouguers zu. Bouguer nennt die Schneegrenze „terme inferieur con- ftant de la neige“, 1 2 ) eine Bezeichnung, die uns wegen der eigen- thümlichen Stellung des Adjectivs „conftant“ auffallen mufs. Unferer Auffaffung würde entfprechen „terme inferieur de la neige constante.“ Doch erklärt fich diefe Ausdrucksweife durch den regelmäfsigen Verlauf der Schneelinie, der auf den Beobachter den Eindruck der Beftändigkeit machen mufste. Dafs indefs Bouguer nur an beftändigem Schnee die untere Grenze zu be- ftimmen fucht, geht daraus hervor, dafs er alle fporadifchen Vorkommniffe von Schnee, wie z. B. Schneefalle (?) in Quito, aus feinen Betrachtungen ausdrücklich ausfchliefst. Wichtig ift nun vor allem, was er über den Verlauf der Schneelinie fagt. Wenn diefe Linie in den Tropen auch ziemlich parallel der Erdober fläche geht, fo ift doch auch zuzugeben, dafs der allgemein beobachtete Verlauf Ausnahmen erfahren könne. Denn „die Schneegrenze hängt von fo verfchiedenen Faktoren ab, dafs fie nothwendiger Weife auch grofsen Abweichungen unterworfen ift.“ 3 ) Wenn Bouguer diefen Satz praecifer gefafst, und vor allem wenn er ihn begründet hätte, fo würden wir denfelben als die Bafis unferer modernen Anfchauungen von der Schnee grenze anzufehen haben. Denn gerade in der Erkenntnifs, dafs die Schneegrenze nicht als die einmalige Wirkung einer grofsen Urfache aufzufaflen ift, dafs fie vielmehr einer Summe verfchiedener Einflüffe unterworfen ift, liegt der hohe Werth für die richtige Beurtheilung derfelben. Dafs jedoch Bouguer diefen Satz mehr in einer ahnenden Vorausfehung als im beftimmten Bewufstfein der vollen Trag weite desfelben ausgefprochen hat, geht daraus hervor, dafs diefe Erkenntnifs mit feiner einfeitig klimatifchen Auffaffung der Schnee grenze im vollften Widerfpruch fteht. Was nun die Ausnahmen anbelangt, welche den zuerft beobachteten regelmäfsigen Ver lauf der Schneelinie durchbrechen, fo fuhrt er als einzige an >) Bouguer: La Figure de la Terre, 1749. S. XLVI. 2 ) Fig. de la Terre S. XLVI; M6m. de l'Ac. 1744 S. 266.