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15 dm bis dahin die abgesonderten Sitzungen der einzelnen Stände untersagt. Adel und Geistlichkeit gehorchten; der dritte Stand nicht. Als die Versammlung ihren Sitzungs saal verschlossen und mit Wachen besetzt fand, zog sie nach dem Ballspselhausc und erklärte hier, die Nationalversamm lung sei, wo ihre Mitglieder seien, und wäre an kein Lokal gebunden. Daraus wurde jedem einzelnen Mitgliedc ein feierlicher Eid abgenommen, nicht eher zu Weichen, bis die heilige Verpflichtung, dem Reiche eine neue Verfassung zu geben, erfüllt sei. Die königliche Sitzung fand erst am 23. Juni statt. Adel und Geistlichkeit empfingen den König mit lautem Zu ruf; die Dcputirten des dritten Standes düster und schwei gend. Der König erklärte nun die Drcikammervcrfassung für ein Grundgesetz des Reiches, und indem er die Sitzung aus- hob, befahl er den drei Ständen, aus einander zu gehen, und am nächsten Tage jeder Stand für sich zu berathen. der Minister Ncckcr hatte zu diesem Schritte gcrathcn, aber als nun der entscheidende Tag gekommen war, ließ er plötzlich den König im Stich und blieb, ohne sich zu ent schuldigen, von der Sitzung aus, so daß jeder denken mußte, er stimme mit dieser Maaßrcgel nicht überein. Diesen schlauen französischen Kniff nennt man auf deutsch einen Schurken streich ! Als der König sich entfernte, folgten ihm Adel und Geistlichkeit sogleich, der dritte Stand aber, und die Abtrün nigen aus den beiden ersten blieben trotzig versammelt. „Meine Herren, sic haben den Willen des Königs gehört, — sagte der Ccremonienmeister. Da schrie der Deputirtc Mirabeau: „„Sagen Sie ihrem Herrn, wir säßen hier im Namen der Nation und würden diese Plätze nur verlassen, wenn man uns mit der Gewalt der Bajonette vertrieb."" Diese frechen Worte ernteten lauten Beifall, und sogleich setzte man den Beschluß durch: die Dcputirten sind unverletz lich und wer sic verhaftet, ist der Nation verantwortlich. Dann erst trennte man sich. Gleich nach der Sitzung verbreitete sich daS Gerücht, Necker solle seiner Stelle ent lassen werden. Ein Pöbelauflauf fand statt; man brüllte zu den Fenstern dcS Schlosses Verwünschungen hinauf und der tief gedcmüthigtc König mußte sich bis so weit ernie drigen, den treulosen Minister zu bitten und zu beschwören, ihn ja nicht zu verlassen. ' Necker trat unter das Volk, dankte für das Zutrauen, welches man ihm schenkte; der Pöbel verlief sich, und Abends wurde die Stadt illuminirt.