VII. Religion ußer der eigentlichen Erziehung der Jugend gibt es noch ein anderes Mittel, auf den Charakter und die Sitten der Nation zu wirken, durch welches der Staat gleichsam den erwachsenen, reif gewordenen Menschen er zieht, sein ganzes Leben hindurch seine Handlungsweise und Denkungsweise begleitet und derselben diese oder jene Rich tung zu erteilen, oder sie wenigstens vor diesem oder jenem Abwege zu bewahren versucht — die Religion. Alle Staaten, soviel uns die Geschichte aufzeigt, haben sich dieses Mittels, obgleich in sehr verschiedener Absicht, und in verschiedenem Maße bedient. Bei den Alten war die Religion mit der Staatsverfassung innigst verbunden, eigentlich politische Stütze oder Triebfeder derselben, und es gilt daher davon alles das, was ich im vorigen über ähnliche Einrichtungen der Alten bemerkt habe. Als die christliche Religion, statt der ehemaligen Partikulargottheiten der Nationen, eine allgemeine Gottheit aller Menschen lehrte, dadurch eine der gefährlichsten Mauern umstürzte, welche die verschiedenen Stämme des Menschengeschlechts voneinander absonderten, und damit den wahren Grund aller wahren Menschentugend, Menschen entwicklung und Menschenvereinigung legte, ohne welche Auf klärung, und Kenntnisse und Wissenschaften selbst noch sehr viel länger, wenn nicht immer, ein seltenes Eigentum einiger Wenigen geblieben wären; wurde das Band zwischen der Verfassung des Staats und der Religion lockerer. Als aber nachher der Einbruch barbarischer Völker die Aufklärung ver scheuchte, Mißverstand eben jener Religion einen blinden und intoleranten Eifer Proselyten zu machen eingab, und die politische Gestalt der Staaten zugleich so verändert war, daß man statt der Bürger nur Untertanen, und nicht so wohl des Staats, als des Regenten fand, wurde Sorgfalt für die Erhaltung und Ausbreitung der Religion aus eigener