I. Einleitung enn man die merkwürdigsten Staatsverfassungen mit- vV einander, und mit ihnen die Meinungen der bewähr testen Philosophen und Politiker vergleicht, so wundert man sich vielleicht nicht mit Unrecht, eine Frage so wenig voll ständig behandelt und so wenig genau beantwortet zu finden, welche doch zuerst die Aufmerksamkeit an sich zu ziehen scheint, die Frage nämlich: zu welchem Zweck die ganze Staatsein richtung hinarbeiten und welche Schranken sie ihrer Wirksam keit setzen soll? Den verschiedenen Anteil, welcher der Nation, oder einzelnen ihrer Teile, an der Regierung gebührt, zu bestimmen, die mannigfaltigen Zweige der Staatsverwaltung gehörig zu verteilen und die nötigen Vorkehrungen zu treffen, daß nicht ein Teil die Rechte des andern an sich reiße; da mit allein haben sich fast alle beschäftigt, welche selbst Staa ten umgeformt oder Vorschläge zu politischen Reformationen gemacht haben. Dennoch müßte man, so dünkt mich, bei jeder neuen Staatseinrichtung zwei Gegenstände vor Augen haben, von welchen beiden keiner ohne großen Nachteil über sehen werden dürfte: einmal die Bestimmung des herrschen den und dienenden Teils der Nation, und alles dessen, was zur wirklichen Einrichtung der Regierung gehört, dann die Bestimmung der Gegenstände, auf welche die einmal einge richtete Regierung ihre Tätigkeit zugleich ausbreiten und einschränken muß. Dies letztere, welches eigentlich in das Privatleben der Bürger eingreift und das Maß ihrer freien, ungehemmten Wirksamkeit bestimmt, ist in der Tat das wahre, letzte Ziel, daS erstere nur ein notwendiges Mittel, dies zu erreichen. Wenn indes dennoch der Mensch dies erstere mit mehr angestrengter Aufmerksamkeit verfolgt, so bewährt er dadurch den gewöhnlichen Gang seiner Tätigkeit. Nach einem Ziele streben, und dies Ziel mit Aufwand physischer und moralischer Kraft erringen, darauf beruht das Glück » Humboldt, Oer Eluat 17