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XVl. Anwendung der vorgetragenen Theorie auf die Wirklichkeit ede Entwicklung von Wahrheiten, welche sich auf den Menschen und insbesondre auf den handelnden Men schen beziehen, führt auf den Wunsch, dasjenige, was die Theorie als richtig bewährt, auch in der Wirklichkeit aus geführt zu sehen. Dieser Wunsch ist der Natur des Menschen, dem so selten der still wohltätige Segen bloßer Ideen genügt, angemessen und seine Lebhaftigkeit wächst mit der wohl wollenden Teilnahme an dem Glück der Gesellschaft. Allein, wie natürlich derselbe auch an sich und wie edel in seinen Quellen er sein mag, so hat er doch nicht selten schädliche Folgen hervorgebracht, und oft sogar schädlichere als die kältere Gleichgültigkeit oder — da auch gerade aus dein Gegenteil dieselbe Wirkung entstehen kann — die glühende Wärme, welche, minder bekümmert um die Wirklichkeit, sich nur an der reinen Schönheit der Ideen ergötzt. Denn das Wahre, sobald es — wäre es auch nur in einem Menschen — tief eindringende Wurzeln faßt, verbreitet immer, nur langsamer und geräuschloser, heilsame Folgen auf das wirkliche Leben, dahingegen das, was unmittelbar auf dasselbe über getragen wird, nicht selten bei der Übertragung selbst seine Gestalt verändert und nicht einmal auf die Ideen zurück wirkt. Daher gibt es auch Ideen, welche der Weise nie nur auözuführen versuchen würde. Ja, für die schönste, gereifteste Frucht des Geistes ist die Wirklichkeit nie, in keinem Zeitalter, reif genug; das Ideal muß der Seele des Bildners jeder Art nur immer als unerreichbares Muster vorschweben. Diese Gründe empfehlen demnach auch bei der am mindesten bezweifelten, konsequentesten Theorie mehr als gewöhnliche Vorsicht in der Anwendung derselben; und um so mehr be wegen sie mich noch, ehe ich diese ganze Arbeit beschließe, so vollständig, aber zugleich so kurz, als mir meine Kräfte