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Tageblatt Anzeiger. Amtsdlüt des Sliigl. Bkzirlsgmchts md dks Raths dci Stadt LcWg. ^ rs. Montag den 4. Februar. Bekanntmachung. 1861. Die Beaufsichtigung der gegen ein Ziehgeld bei fremden, nicht verwandten, Personen allhier untcrgebrachten unehelichen Kinder, bis zu ihrer Aufnahme in eine Schule, hat uns seit mehren Jahren Anlaß gegeben, besonders pflichttreuen Ziehmüttern aus dem durch Mildthätigkeit begründeten Fonds der Aiebkinderanftalt, so weit es die Mittel gestatten, entsprechende Geldprämien zu ertheilen. So erhielten auch jetzt die Ziehmütter: 1) Johanne Auguste verehel. König, Friedrichsstraße Nr. 43, 2) Friederike Wilhelmine verehel. Noch, Webergasse Nr. 13, 3) Johanne Marie verehel. Ulrich, Brandvorwerk Nr. 3,' 4) Johanne Christiane verehel. Zahn, Petersstraße Nr. 23, 5) Wilhelmine Dorothee verehel. Büchel, Burgstraße Nr. 7, 6) Eleonore Friederike verehel. Geyer, Colonnadenstraße Nr. 14, 7) Johanne Sophie Fried, unverehel. Günther, Friedrichsstr. 19, 8) Marie Christiane verehel. Hensel, Ulrichsgasse Nr. 35, 9) Johanne Friederike verwitw. Kirchner, Naundörfchen Nr. 6, 10) Henriette Csncordie verehel. Leitemann, Franks. Str. 67, 11) Rebecca verehel. Müller, Ritterftraße Nr. 21, 12) Johanne Christiane verehel. Otto, Frankfurter Straße 64, 13) Johanne Rosine verehel. Pegau, kleine Burgqasse Nr. 2, 14) Johanne Henriette verehel. Schneider, Cvlonnadenftr. 14, 15) Marie Christiane verwitw. Schubert, Königsftraße Nr. 21, 16) Albertine Luise verehel. Simon, Ulrichsqasse Nr. 65, 17) Johanne Eleonore verehel. Stephan, Nicolaistraße Nr. 16, 18) Henriette Christiane verehel. Winkler, Alexanderftraße 21, und zwar die sud I —4 Prämien von je 3 Thlr., die »ub 5 —18 Prämien von je 2 Thlr. Indem wir ihre Namen in Anerkennung ihrer Pflichttreue hierdurch auch zu öffentlicher Kenntniß bringen, unterlassen wir nicht hinzuzufügen, daß noch manche brave Ziehmutter wegen der beschränkten Mittel dieses Instituts, welches hauptsächlich durch die Zuschüsse aus unserer Hauptcasse erhalten wird, keine Berücksichtigung finden konnte. Leipzig, am 1. Februar 1861. Das Armendirectorium. Leipziger Photographien. > IX. Ein in lebhaftem Traume unruhig schlafender Mensch bietet, wie Siegismund sagt, einen kläglichen Anblick, wie ihn die letzte Photographie an Jngomar und seinem Pinscher annähernd zur Anschauung brachte. Aber das Erwachen einer Jungfrau, inson derheit nach einem Balle, muß einen himmlischen Anblick gewäh ren, den ich nicht photographiren kann, weil er nur selten einem Sterblichen zu Theil wird. (Ich erkläre hiermit wiederholt steif und fest, daß ich ein ältliches Herrchen und zwar ein ältliches Junggesellchen bin, und muß sehr bitten, mich mit dem in Deutsch land reisenden jungen Amerikaner gewogentlichst oder nicht identi- ficiren zu wollen.) Finchen schlief wie ein Engel, nein, nicht wie ein Engel, da ich die in Zimmer Nr. 40 an einem Schwids Darniederliegenden mit schlafenden Engeln verglichen hatte, sie schlief wie Psyche, wahrlich, die gute Seele hatte in ihrem süßen Schlummer viel Psychenhaftes. Und es mußte ein wundervoller Traum sein, der ihre Sinne gefangen hielt, denn sie lächelte permanent, ein Lächeln, das, wie Dumas sagen würde, mit Stecknadeln in den Mund winkeln befestigt schien und die Spitzen ihrer alabasternen Perlen zähne oder Zahnperlen zeigte. Sie träumte süß, aber merkwür diger Weise nicht von ihrem Sardellenfreunde, sondern von dem blondm Todtmacher. Ich glaube, daß das auch nicht anders sein konnte und logisch richtig ist. Mir sagte einst eine junge Dame, daß ein rasender Tänzer für alle Zeiten unvergeßlich bleibt, und, sagte sie, wäre er auch häßlich wie die Nacht. „Wir wollen das gute Thierchen beute schlafen lassen", sagte die Mama und deckte die Psyche zu. Und wir wollen sie auch schlafen lassen und uns um andere Leute bekümmern. Nur bei läufig will ich noch bemerken, daß Lmchen merkwürdiger Weise von Friedebachen träumte und Binchen die traurige Niederlage ihres TraugottS nicht aus dem Lockenköpfchen bringen konnte. Es warm einige Tage nach dem Balle ins Land gegangen und es war Sonntag, der wichtigste Sonntag, überhaupt der wichtigste Tag in dem ganzen Leben Heinrichs, der sich für heute Vormittag eilf Uhr bei den Aeltern der schönen Melusine hatte anmelden lassen. Sie erinnern sich doch noch dieses Heinrichs vom letzten Baller ES war ein ganz guter Kerl, aber er hatte gesagt: viouärm äHK — ich «erde schon kommen." „Er macht Emst!" sagte Mama und sah Sinchm an, nach- dem sie die Bitte um eine Audienz gelesen hatte. ,Da< kommt mir zu schnell!" sagte die Angebetete. „Macht waS Ihr wollt!" repetirte der Vater. „Ich weiß nicht, was ich mache!" seufzte Sinchm, stützte das Kinn mit der Hand und ging sorgenvoll vom Ofen zum Fenster und vom Fenster zum Ofen. „Aber, Kind, Du solltest doch wissen, ob Du, ich will nicht sagen, ihn liebst, denn das scheint mir nicht, aber ob Du ihn würdest leiden können!" „Gott, ich weiß nicht! Der schüchterne Heinrich ist mir lieber als der August mit dem komischen Namen, aber der hübsche Gustav ist mir wieder lieber als der schüchterne Heinrich!" wimmerte Sinchen und stützte sich auf die Gramsäule am Fenster. „Den schlag Dir aus dem Sinn, der har nichts!" sagten Vater und Mutter k tvmpo. Ein riesiger Seufzer am Fenster und dann Pause. „Ach, warum hat Gustav nicht August's Grundstück!" rief Sinchm und ging zum Ofen. „Ich würde doch den Heinrich nehmen, Kind!" sagte die Mutter und ließ den Strickstrumpf sinken. „Er hat auch etwas Vermögen und ist doch ein ziemlich netter Mensch. Man kann doch nicht wissen! Denke 'mal an Linchen und Friedr..." „Ich bin ein und dreiviertel Jahr jünger als Linchen, Mutter!" rief Sinchen groß und stolz, und jetzt war sie schön zu nennen. „Wie viel hat denn der Heinrich?" fragte der Papa, um wie der auf den uervus rerum zu kommen. „Fünf bis Sechstausend!" belehrte ihn die wohlorientirte Mama und fügte einen kleinen Abriß von Heinrichs bisheriger Lebensgeschichte nebst einem Anhänge über seinen Leumund und sonstige Referenzen bei. „Na, da nimm ihn doch!" sagte der aufgeklärte Vater und ging beruhigt zur Tagesordnung über. Da kam Linchen, nur auf einen Sprung, sagte sie; sie wäre beim Färber gewesen, und habe für die Mama Band und Pfann kuchen zu kaufen. Das war aber wieder nicht wahr, denn Lin chen hatte Wind bekommen und wollte nur horchen, ob sich etwas ereignet habe. Sie fragte, ohne abzulegen, wie der Ball allerseits bekommen, und dankte für gütige Nachfrage. Dabei übersah sie mit sicherem Blicke die Situation. Hier war etwas geschehen, hatte sich etwas ereignet, war etwas im Werke, war etwas los — dmn SinchenS Physiognomie war bedeutungsvoll. Da verließ die Mutter das Zimmer, und nun machten milde Thränen das Eis um SinchenS Herzchen thauen und sie fiel anscheinend höchst unglücklich der gerührten Freundin um den Schwanenhals. Die Mädchen warm unter sich und so wisperte Sinchen Liebe- Leio