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kl Anzeiger. Amtsblatt des «mal, Bezirksgerichts md der Raths da Stadt Sechzig. W SSL. Mittwoch den 18. December, 1861. Bekanntmachung, die Zulassung der Lnnengedachten Dachpappen als Surrogat harter Dachung -etr. Unter Hinweis auf §. 3 der Verordnung, das Abdecken von Gebäuden mit Dachpappe und Dachfilz betr., vom 29. Sep tember 1859 (Gesetz- und Verordnungs-Blatt desselben Jahres 15. Stück Seite 32t) wird hierdurch bekannt gemacht, daß die Dachpappen aus der Fabrik von Friedrich Wiggert aus SamSwegen bei Wolmirstedt auf Grund der eingestellten Untersuchung und vorgenommenen Brennversuche als Surrogat der harten Dachung mit den in obigor Verordnung angegebenen Beschränkungen bis auf Weiteres und mit Vorbehalt des jederreitigen Widerrufs anerkannt worden sind. Gegenwärtige Bekanntmachung ist in allen §. 21 des Gesetzes, die Angelegenheiten der Presse betr. vom 14. März 1851 gedachten Zeitschriften in Gemäßheit 8- 14 b der Aussührungsverordnunazu diesem Gesetze zum Abdruck zu bringen. Dresden, am 2. December 1861. Ministerium deS Innern. Für den Minister: Kohlschütter. ——— Schmiedel, S. Bekanntmachung. Das der Stadtgemeinde gehörige, früher Ehrlichsche Wohnhaus, Ulrichsgasse Rr. 36, Brandcatasternummer 6316, soll mit sämmtlichem Material und so wie es steht und liegt, zum Abbruche versteigert werden. Erstehungslustige wollen sich Montag den TT. December I88L Vormittags 11 Uhr in der Rathsstube einfinden und ihre Gebote eröffnen, worauf weitere Beschlußfassung erfolgen wird. Die Versteigerungsbedingungen sind vom 18. December d. I. an auf dem Bauamte einzusehen. Leipzig, den 17. December 1861. Der Rath -er Sta-t Leipzig. Berger. Schleißner. Unsere Lä-chenerziehungstnstitute. (Fortsetzung.) Der einzige Theil des Unterrichtes, auf den etwas mehr Sorg falt verwendet wird, sind die lebenden Sprachen. In den süd deutschen Instituten, welche wir zunächst im Auge haben, werden gewöhnlich Französisch, Englisch und Italienisch gelehrt. Die Lehrer und Lehrerinnen wären oft ganz tüchtig, aber die Methode ist auch hier wunderlich genug. Statt in den drei Jahren, welche die Mädchen meist im Institute zubringen, jährlich eine Sprache m behandeln, lehrt man alle drei zusammen, und die natürliche Folge davon ist, daß keine ordentlich gelernt wird und in manchem schwächeren Kopfe eine babylonische Sprachverwirrung entsteht. Wenn eine unserer Töchter eine fremde Sprache geläufig spricht, dankt sie es sicher nicht dem dreijährigen Unterrichte im Institute. Aber nicht nur in den fremden, auch in der eigenen Mutter sprache, welcher doch eine weit höhere Bedeutung und Wichtigkeit zukommt, ist die Unterweisung äußerst mangelhaft. Der Unterricht i» der deutschen Sprache ist allerdings auch auf Gymnasien und Bürgerschulen trotz aller Fortschritte der deutschen Philologie noch von solchen alten Principim beherrscht, bildet aber doch ein Haupt fach, wogegen man ihn in den meisten Mädcheninstituten ak tive halb und halb überflüssige Sache betrachtet und in sonst un- ausgefüllte Nebenstunden verweist. Das Höchste, wozu er sich aufschwingt, sind kleine schriftliche Aufsätze — Stilübungen, meist über Themata, worüber der geistvollste Mann nicht viel zu sagen wüßte. Die Schreibart der jungen Mädchen mit Geschick zu ver bessern, sie nach und nach zu einem freien gefälligen Prssastil an- zuleiten, versäumt man und läßt sie dafür häufia Verse machen. Den Inhalt dieser poetischen Exercitieu bilden gewöhnlich Natur- schilderungen, wodurch Sinn und Verständniß für die Schön heiten wahrer Poesie beinahe gänzlich auSgerottet und noch dazu in manchem Mädchenköpfchm frühzeitig die überflüssige Idee von eigenem schriftstellerischen Talent« geweckt wird, welche dann zu noch unglücklicheren Emancipationsgedanken führt. An eine vom Lehrer geleitete erklärend» Lrcture unserer großen Schriftsteller wird gat nicht gedacht; im Gegeniheile hält man sie unter dem Vor wand«, sie könnten die Unschuld und Unbefangenheit der jungen Mädchen zerstöre», ängstlich von den Instituten fern. Gegen Goethe schleudern die meisten Pädagogen ein förmliche« Anellhema und entsetzen sich über die Aumuthung, ihre Schülerinnen mit seinen Meisterwerken bekannt zu machen; als ob man den „Wil helm Meister," die „Wahlverwandtschaften" oder gar die „römischen Elegien" wäklen müßte! — Wir glauben, daß dieser Scheu, der weiblichen Jugend die größten Dichtungen deS deutschen Volkes in die Hand zu geben, ein doppelter Jrrlhum zu Grunde liegt. Einmal ist jene himmlische Unschuld der Theorie, wie sie bei jungen Mädchen vorausgesetzt wird, bei den Wenigsten wirklich vorhanden und selbst dann mehr ein schöner Fehler, welcher nicht selten die schlimmsten Folgen nach sich zieht, als eine gute Eigenschaft. Die tägliche Erfahrung lehrt, wie jene Mädchen am Leichtesten fehlen, die nicht wissen, wie sie fehlen können. Ferner sind wir der Meinung, daß an einem weiblichen Geschöpfe, welches in Goethe'S Schöpfungen nur das sinnliche, erotische Element erfaßt und herausgreift, eigentlich nicht mehr Viel zu verderben sei. Ein solches Mädchen ist nicht werth, den „Alt meister", zu lesem Der strenge Cordon, welcher in Mädchen- pensionaten gegen die ersten Werke der deutschen Literatur ge zogen wird, führt die leselustigen Zöglinge meist auf den schlimmen Ausweg, sich heimlich allerlei Bücher, am liebsten Romane, zu verschaffen. Da qerathen sie denn freilich manchmal auf Werke, deren vergiftende Wirkung tief zu beklagen ist, wie wir aus eigener Erfahrung von dm erlön süddeutschen Instituten wissen. Aus den Hallen der „ englischen Fräulein," welche die hervorragenden Institute zu Nymphenburg, Dietramszell, Rieden dur g u. s. w. leiten, sind alle berühmten deutschen Dichter ohne Gnade verwiesen — und manche Sech-zehnjährig«, welche von dort nach Haufe kam, war mit der modernen französischen Roman- literatur vertraut. Mehr als ein Mädchen hat uns offenherzig bekannt, daß sie allen Vorsichtsmaßregeln der Lehrerinnen zum Trotze DumaS' „Monte Christo" oder Sue's „Geheim nisse von Parts" gelesm, und in Dietramszell liefen vor einigen Jahren die ausgelassenen Romane Crebillon'S unter dm Zöglingen von Hand zu Hand. Wenn das Absperrungs system gegen die deutsche Literatur in berühmten Instituten solche Frücht« trägt, wie mag es erst in den Peivaranstalten auSsehen? Auch die freien Künste haben ihr Plätzchen in unseren Mäd- chenpeusionaten; fast in allen werden Musik und Malerei als so genannte „Extra-Gegenstände", welch« nicht in dm festgtsehkn jährlichen Bettag eingeschlossen, sondern besonders zu honoriren find, gelehrt. Zahlt die Familie dafür, so wird da- Mädchen die ganze Jnstittttszeit über in der betreffenden Kunst unterrichtet,