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Bekanntmachung. Wir bringen hiermit in Erinnerung, daß bei Fünf Thaler Strafe für jeden ContravettttoriSfall Schnee und Gis auS den Grundstücken auf die Straßen oder öffentlichen Plätze nicht gebracht werden darf, vielmehr sind zur Ablagerung von Schnee und Eis nur folgende Orte bestimmt, nämlich: 1) der freie Platz hinter dein sogenannten Kanonenteiche, 2) daS tiefe Terrain an der Waldstraße beim Frankfurter Thore, 3) daS Parthenufer vom Gerberthore an in der Richtung nach der Psaffendorfer Brücke auf eine Strecke von ca. 300 Ellen, 4) daS erste schmale Feldstück vor dem Dresdner Thore auf der rechten Seite der Chaussee und 5) die Sauweide bis zum Münzthore an der Brandbrücke. Gleichzeitig werden die Grundstücksbesitzer und beziehentlich deren Stellvertreter auf ihre Verpflichtung: durch Bahnfchaufeln bei Schneefall und durch Streuen von Sand, Asche oder Säge fpähnen bei Glätte unverzüglich für Herstellung eines sicher gangbaren Fußweges längs der Straßenfronte ihrer Grundstücke zu sorgen, mit der Bedeutung aufmerksam gemacht, daß wegen jeder Vernachlässigung dieser im öffentlichen Interesse dringend gebotenen Vorschriften der Schuldige Fünf bis Zwanzig Thaler Geld- oder nach Befinden verhältnißmäßige Gcfängnißstrafe zu erwarten hat. Leipzig, den 14. December 1KVI. Der Akath der Stadt Leipzig. vr. Koch. Schmidt. Unsere MädchenerziehungsinMute *). Kein Staat kann zu Macht und Größe emporblühen, welcher nicht unter seinen Bürgern Männer von unerschütterlichen Grund sätzen, unwandelbarer Üeberzeugungstreue und unbestechlicher Ehr lichkeit im öffentlichen Leben, mit Einem Worte: politische Charaktere besitzt. In unseren Tagen sind solche Biedermänner äußerst selten geworden, und aus dem Mangel an ihnen entspringt großentheils die Jämmerlichkeit und Zerfahrenheit des modernen Staatslebens, die tiefe Jmmoralität der heutigen Staatskunst. Die Wenigen, welche in der Gegenwart strenge Rechtlichkeit unter den Stürmen des öffentlichen Lebens zu bewahren und allen schmeichelnden Verlockungen fest zu widerstehen vermögen, verdanken diese rühmliche Consequenz nicht äußeren Umständen, sondern ihrem inneren Werthe. Der edle Mensch wird aber nicht geboren; er muß herangedildet, für das Gute und Rechte von frühester Kind heit empfänglich gemacht, erzogen werden. Wir sind daher zu behaupten berechtigt, daß das Wohl eines Staates in letzter In stanz sehr von der Kindererziehung abhänge, da diese je nach ihrer Art und Weise gute oder schlechte Bürger reifen läßt. — Das römische und noch mehr das griechische Alterthum war von dieser Idee vollständig durchdrungen und betrachtete die Erziehung der Kinder als einen integrirenden Theil der Staatsverwaltung, welcher unter öffentliche Aufsicht gestellt war, damit es dem Staate mög lich würde, sich von den allgemeinen Eigenschaften der jungen Heranwachsenden Bürger zu überzeugen. In jenen Tagen war die- allerdings nöthiger als jetzt, weil das Weib eine gänzlich untergeordnete Stellung in der Gesellschaft tinnahm und nur als Mittel zum Zweck, als Werkzeug zur gesetzmäßigen Vermehrung der Bevölkerung betrachtet ward, somit nicht wohl befähigt sein konnte, die Erziehung der Kinder, wenn sie auch zunächst mehr auf körper liche als auf geistige Ausbildung hinauslief, selbst zu leiten. Die Stellung der Hausfrau ist eine ganz andere geworden; fortschrei tende Humanität und Chriftenthum haben der Gattin und Mutter, welche früher fast nur Pflichten kannte, auch Rechte geschaffen. Der moderne Staat lst «ine zu complicirte Maschine, hat auch meist einen viel zu großen Umfang, als daß an eine Erziehung nach/antikem Muster gedacht werden könnte. Man sorgt vom hohen Olympe der Behörden herab für die geistige Ausbildung der Knaben, so weit man es nöthig findet, und mischt sich weiter nur dann in die anderen, der Familie überlassenen Erziehungs angelegenheiten, wenn Verbrechen zu bestrafen sind. Dennoch ist die Erziehungsfrage für den modernen Staat fast eben so wichtig wie für den antiken. Die öffentlichen Schulen und Untenichtsanstalten vermögen nicht einmal den Geist der Jugend so zu bilden und zu entwickeln wie eine gute häusliche Er ziehung, noch weniger aber das Gemüth. Die moralische Aufgabe der Erziehung ruht ausschließlich in der Hand der Aeltern oder, genauer ausgedrückt, der Mutter. Denn der Einfluß des Vaters auf die Kinder ist im Ganzen gering anzuschlagen; mei sten- mangelt ihm auch einfach die Zeit, an der Erziehung seiner Söhne und Töchter wirksam Theil zu nehmen, und er lernt sie im Grunde erst recht kennen, wenn sie schon erwachsen sind. Jede Mutter aber hat die schöne Pflicht, den künftigen Charakter ihrer Söhne in zartem Kindesalter zu bestimmen, und trägt die schwere Verantwortlichkeit für die Resultate der häuslichen Erziehung fast allein auf ihren Schultern. Beweise für unsere Behauptung an zuführen halten wir für vollkommen überflüssig, da die tägliche Erfahrung ihre Richtigkeit darthut und jeder tüchtige Mann sein ganze- Leben hindurch in dankbarer Rührung seiner Mutter ge denkt, welche alle guten Keime in seine Seele pflanzte. „Gebt uns bessere Mütter, und wir werden bessere Männer haben", er- wiederte der flüchtige Dichter auf die Klage, daß sich in den letzten politischen Wirren Deutschland- so wenig echte Männer, so spän- *) Aus Kolatschek „Stimmen der Zeit" Nr. 27. lich gediegene Charaktere auf beiden Seiten gezeigt hätten. Treff liche Mütter sind nur allzu selten, und es kann Die- Niemanden Wunder nehmen, welcher die gegenwärtige Methode der Mädchen- erziehung etwas aufmerksam betrachten will. Einzelne Familien abgerechnet, werden die Töchter der gebildeten Stände im Allge meinen in Instituten erzogen, deren Einrichtungen nicht viel taugen und mit den wichtigsten Anforderungen der Zeit wenig im Einklang stehen. Vom Staate gegründete und geleitete Mädchen erziehungsanftalten, welche am Gründlichsten und Anregendsten ceformirend wirk.n könnten, giebt es in allen Ländern nur wenige, und selbst in diesen wenigen herrscht eine verfehlte Auffassung der pädagogischen Behandlung des weiblichen Geschlechtes. Noch viel schlimmer steht es in den zahlreichen, in jeder größeren Stadt dutzendweise vorhandenen Privat-Unternehmungen, welche mehr oder minder alle auf gewöhnliche Geldspeculation hinauslaufen. Falsche Principien und subjektive Grillen der wunderlichsten Art finden darin den fruchtbarsten Boden, auf welchem sie um so leichter auf schießen können, als der Staat solchen Instituten, welche ihm doch so sehr am Herzen liegen sollten, meistens nur eine sehr oberfläch liche Aufmerksamkeit widmet und sich nach dieser Seite hin auch in der Ertheilung von Concessionen außerordentlich willfährig, um nicht zu sagen leichtsinnig zeigt. Jeder abgedankte Hofmeister und schiffbrüchige Literat, jede abgetakelte Gouvernante darf nach Vor weisung des allernöthigsten Fonds und einiger von hohen Gönnern erbetttlten Zeugnisse ein Mädchenerziehungsinftitut errichten, worin meistens Niemand gedeiht als die Vorstehung, welche sich von den eingezahlten Geldern niedliche Ersparnisse zurücklegt und die Zög linge immer leiblich, nicht selten auch geistig hungern läßt. Wenn einzelne Pensionäre hiervon eine rühmliche Ausnahme machen, so liegt dies eben an dem edleren Naturell ihrer Leiter, da aber im großen Weltparlamente die überwiegende Majorität leider aus ge meinen Seelen besteht, so erfreuen sich auch nur wenige Mädchen institute jener hingebenden aufopfernden pädagogischen Thätigkeit, ohne welche kein erfreuliches Ergebniß zu hoffen ist. Die meisten verfehlen den Zweck ihres Daseins völlig und verbilden die ihnen anvertraulen Mädchen, statt sie zu bilden. Indem wir diese Anklage gegen die größte Mehrzahl unserer heutigen Mädchenerziehungsinstitute und gegen den Geist, in welchem sie geleitet werden, erheben, wollen wir sie durch eine ein fache Schilderung der pädagogischen Methode begründen, welche in denselben befolgt wird und uns durch eigene Erfahrung bekannt ist. — Ziel und Zweck jeder verständigen Erziehung ist wahre Geistes- und Herzensbildung. „Kopf und Herz am rechten Flecke," st ein alter deutscher Kernspruch und enthalt in wenigen Worten das schönste Lob, welches dem Menschen gespendet werden kann. Nun vermag e- aber die Erziehung, wenn sie von richtigen Grund sätzen ausgeht, Kopf und Herz zurecht zu setzen, und ihr Werk gelingt bei oem weiblichen Geschlechts, welche- biegsamerer und nachgiebigerer Natur ist, leichter al- bei dem männlichen. Es wird wenige so geift- und gemüthlose Mädchen geben, an denen ein nach richtigen Grundsätzen geleitete- Institut nicht die schönsten Wirkungen hervor brächte; aber unsere Pensionat? sind darauf angelegt, ganz entgegengesetzte Erfolge zu erzielen. Betrachten wir zunächst die geistige Aufgabe der Erziehung, den Unterricht und die herkömmliche Schablone, nach weicherer ertheilt wird. Noch immer waltet der heillose Grundsatz vor, man dürfe jungen Mädchen keine trockene, wie man sich auSzudrücken beliebt, d. h. keine gründliche Wissenschaft beibringen. In Folge dessen wird fast in allen Mädcheninstituten die sogenannte „spielende" Lehrmethode festgehalten, welche den Ernst der Geschichte durch un passende oder alberne Geschichtchen, die Geographie durch Schilde rungen lächerlicher Landesgebräuche, die Naturgeschichte durch Thieranekdoten zu würzen sucht und die- unnütze Beiwerk nicht selten zur Hauptsache macht, um den Mädchen die langweiligen Lehrstunden zu „versüßen.* Um die Anschauungen kennen zu lernen, welche unter dem Lehrpersonale eine- Pensionates über die