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46 schichte der Charakter aus, welchen der ungestörte Landbau in einem Volke bildet. Die Arbeit, weiche es dem Boden widmet, und die Ernte, womit derselbe es wieder belohnt, fesseln es süß an seinen Acker und seinen Heerd; Theilnahme der segenvollen Mühe und gemeinschaftlicher Genuß des Ge wonnenen schlingen ein liebevolles Baud um jede Familie, von dem selbst der mitarbeitende Stier nicht ganz ausgeschlossen wird. Die Frucht, die gesäet und geerntet werden muß, aber alljährlich wiederkehrt, und nur selten die Hoffnung täuscht, macht geduldig, vertrauend und sparsam; das unmittelbare Empfangen aus der Hand der Natur, das immer sich auf dringende Gefühl: daß, wenn gleich die Hand des Menschen den Saamen ausstreuen muß, doch nicht sie es ist, von welcher Wachsthum und Ge deihen kommt; die ewige Abhängigkeit von günstiger und ungünstiger Witterung, flößt den Gemüthern bald schauderhafte, bald frohe Ahndungen höherer Wesen, wechselweis Furcht und Hoffnung ein, und führt zu Gebet und Dank; das lebendige Bild der einfachsten Erhabenheit, der unge störtesten Ordnung, und der mildesten Güte bildet die Seelen einfach groß, sanft, und der Sitte und dem Gesetz froh unterworfen. Immer gewohnt hervorzubringen, nie zu zerstören, ist der Ackerbau friedlich, und von Be leidigung und Rache fern, aber erfüllt von dem Gefühl der Ungerechtig keit eines ungereizten Angriffs und gegen jeden Störer seines Friedens mit unerschrockenem Muth beseelt. Allein freilich ist Freiheit die nothwendige Bedingung, ohne welche selbst das seelenvollste Geschäft keine heilsamen Wirkungen dieser Art her vor zu bringen vermag. Was nicht von dem Menschen selbst gewählt, worin er auch nur eingeschränkt und geleitet wird, das geht nicht in sein Wesen über, das bleibt ihm ewig fremd, das verrichtet er nicht eigentlich mit menschlicher Kraft, sondern mit mechanischer Fertigkeit. Die Alten, vorzüglich die Griechen, hielten jede Beschäftigung, welche zunächst die körperliche Kraft angeht, oder Erwerbung äußerer Güter, nicht innere Bil dung, zur Absicht hat, für schädlich und entehrend. Ihre menschenfreund lichsten Philosophen billigten daher die Sklaverei, gleichsam um durch ein ungerechtes und barbarisches Mittel einem Theile der Menschheit durch Aufopferung eines andern die höchste Kraft und Schönheit zu sichern. Allein den Jrrthum, welcher diesem ganzen Raisonnement zum Grunde liegt, zeigen Vernunft und Erfahrung leicht. Jede Beschäftigung vermag den Menschen zu adeln, ihm eine bestimmte, seiner würdige Gestalt zu geben. Nur auf die Art, wie sie betrieben wird, kommt es an; und hier läßt sich wohl als allgemeine Regel annehmcn, daß sie heilsame Wirkungen äußert, so lange sie selbst, und die darauf verwandte Energie vorzüglich die Seele füllt, minder wohlthätige, oft nachteilige hingegen, wenn man mehr aus das Resultat sieht, zu dem sie führt, und sie selbst nur als Mittel betrachtet. Denn alles, was in sich selbst reizend ist, erweckt Achtung und Liebe, was nur als Mittel Nutzen verspricht, bloß Interesse; und nun wird der Mensch durch Achtung und Liebe eben so sehr geadelt, als er durch Interesse in Gefahr ist, entehrt zu werden. Wenn nun der Staat eine solche positive Sorgfalt übt, als die, von der ich hier rede, so kann er seinen Gesichtspunkt nur auf die Resultate richten, und nun die Regeln feststellen, deren Befolgung der Vervollkommnung dieser am zuträglichsten ist. Dieser beschränkte Gesichtspunkt richtet nirgends größeren Schaden