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40 Menschen ist dieser Moment der Blüthe.') Die minder reizende, einfache Gestalt der Frucht weist gleichsam selbst auf die Schönheit der Blüthe hin, die sich durch sie entfalten soll. Auch eilt nur alles der Blüthe zu. Was zuerst dem Samenkorne entsprießt, ist noch fern von ihrem Reize. Der volle dicke Stengel, die breiten, auseinander fallenden Blätter bedürfen noch einer mehr vollendeten Bildung. Stufenweise steigt diese, wie sich das Auge am Stamme erhebt; zartere Blätter sehnen sich gleichsam, sich zu vereinigen und schließen sich enger und enger, bis der Kelch das Ver langen zu stillen scheint. Jndeß ist das Geschlecht der Pflanzen nicht von dem Schicksale gesegnet. Die Blüthe fällt ab und die Frucht bringt wieder den gleich rohen und gleich sich verfeinernden Stamm hervor. Wenn im Menschen die Blüthe welkt, so macht sie nur jener schöneren Platz, und den Zauber der schönsten birgt unserem Auge erst die ewig un erforschbare Unendlichkeit. Was nun der Mensch von außen empfängt, ist nur Samenkorn. Seine energische Thätigkeit muß es, sei's auch das schönste, erst auch zum segenvollsten für ihn machen. Aber wohlthätiger ist es ihm immer in dem Grade, in welchem es kraftvoll und eigen in sich ist. Das höchste Ideal des ZusammenexistirenS menschlicher Wesen wäre mir dasjenige, in dem jedes nur aus sich selbst und um seiner selbst willen sich entwickelte. Physische und moralische Natur würden diese Menschen schon noch aneinander führen, und wie die Kämpfe des Krieges ehrenvoller sind, als die der Arena, wie die Kämpfe erbitterter Bürger höheren Ruhm gewähren, als die getriebener Miethsoldaten; so würde auch das Ringen der Kräfte dieser Menschen die höchste Energie zugleich beweisen und er zeugen. Ist es nicht eben das, was uns an die Zeitalter Griechenlands und Roms, und jedes Zeitalter allgemein an ein entfernteres, hingeschwundenes so namenlos fesselt? Ist es nicht vorzüglich, daß diese Menschen härtere Kämpfe mit dem Schicksale, härtere mit Menschen zu bestehen hatten? Daß die größere ursprüngliche Kraft und Eigenthümlichkeit einander be gegnete und neue wunderbare Gestalten schuf. Jedes folgende Zeitalter — und in wie viel schnelleren Graden muß dies Verhältniß von jetzt an steigen? — muß den vorigen an Mannigfaltigkeit nachstehen, an Mannig faltigkeit der Natur — die ungeheuren Wälder sind ausgehauen, die Mo räste getrocknet u. s. f. — an Mannigfaltigkeit der Menschen, durch die immer größere Mittheilung und Vereinigung der menschlichen Werke, durch die beiden vorigen Gründe, st Dies ist eine der vorzüglichsten Ursachen, welche die Idee des Neuen, Ungewöhnlichen, Wunderbaren so viel seltener, das Staunen, Erschrecken beinahe zur Schande, und die Erfindung neuer, noch unbekannter Hülfsmittel, selbst nur plötzliche, unvorbereitete und dringende Entschlüsse bei weitem seltener nothwendig macht. Denn thcils ist das Andringen der äußeren Umstände gegen den Menschen, welcher mit mehr Werkzeugen, ihnen zu begegnen, versehen ist, minder groß; theils ist es nicht mehr gleich möglich, ihnen allein durch diejenigen Kräfte Wider stand zu leisten, welche die Natur Jedem giebt, und die er nur zu be nutzen braucht; theilS endlich macht das auSgearbeitetere Wissen das Er st Blüthe, Reife. Neues deutsches Museum, 1791. JuniuS, 22, 3. st Göthe, über die Metamorphose der Pflanzen, st Eben dies bemerkt einmal Rousseau im Emil.