Volltext Seite (XML)
36 noch jetzt in manchen Republiken finden; da ist nicht allein die Ausführung leichter, sondern auch die Sache minder schädlich. Allein in unfern monar chischen Bersassungen existirt — und gewiß zum nicht geringen Glück für die Bildung des Menschen — eine solche bestimmte Form ganz nnd gar nicht. Es gehört offenbar zu ihren, obgleich auch von manchen Nachtheilen begleiteten, Vorzügen: daß, da doch die Staatsverbindung immer nur als ein Mittel anzusehen ist, nicht so viel Kräfte der Individuen aus dies Mittel verwandt zu werden brauchen, als in Republiken. Sobald der Unterthan den Gesetzen gehorcht, und sich und die Seinigen im Wohlstände und einer nicht schädlichen Thätigkeit erhält, kümmert den Staat die ge nauere Art seiner Existenz nicht. Hier hätte daher die öffentliche Er ziehung, die, schon als solche, sei es auch unvermerkt, den Bürger oder Unterthan — nicht den Menschen, wie die Privaterziehung — vor Augen hat, nicht eine bestimmte Tugend oder Art zu sein, zum Zwecke; sie suchte vielmehr gleichsam ein Gleichgewicht aller: da nichts so sehr, als gerade dies die Ruhe hervorbringt und erhält, welche eben diese Staaten am eifrigsten beabsichtigen. Ein solches Streben aber gewinnt, wie ich schon bei einer andern Gelegenheit zu zeigen versucht habe, entweder keinen Fort gang, oder führt aus Mangel an Energie; da hingegen die Verfolgung einzelner Seiten, welche der Privaterziehung eigen ist. durch das Leben in verschiedenen Verhältnissen und Verbindungen, jenes Gleichgewicht sicherer und ohne Aufopferung der Energie hervorbringt. Will man aber der öffentlichen Erziehung alle positive Beförderung dieser oder jener Art der Ausbildung untersagen, will man es ihr zur Pflicht machen, bloß die eigene Entwickelung der Kräfte zu begünstigen: so ist dies einmal an sich nicht ausführbar, da, was Einheit der Anordnung hat, auch allemal eine gewisse Einförmigkeit der Wirkung hervorbringt; und dann ist auch unter dieser Voraussetzung der Nutzen einer öffentlichen Erziehung nicht abzusehen. Denn, ist es bloß die Absicht zu verhindern, daß Kinder nicht ganz unerzogen bleiben; so ist es ja leichter und minder schädlich, nachlässigen Eltern Vormünder zu setzen oder dürftige zu unter stützen. Ferner, erreicht auch die öffentliche Erziehung nicht einmal die Ab sicht, welche sie sich vorsetzt: nämlich die Umformung der Sitten nach dem Muster, welches der Staat für das ihm angemessenste hält. So wichtig und auf das ganze Leben einwirkend auch der Einfluß der Erziehung sein mag; so sind doch noch immer wichtiger die Umstände, welche den Men schen durch das ganze Leben begleiten. Wo also nicht Alles zusammen stimmt, da vermag die Erziehung nicht durchzudringen. Ueberhaupt: soll die Erziehung nur, ohne Rücksicht auf bestimmte, den Menschen zu ertheilende bürgerliche Formen, Menschen bilden; so be darf eS des Staates nicht. Unter freien Menschen gewinnen alle Gewerbe besseren Fortgang; blühen alle Künste schöner auf, erweitern sich alle Wissenschaften. Unter ihnen sind auch alle Familienbande enger: die Eltern eifriger bestrebt, für ihre Kinder zu sorgen; nnd, bei höherem Wohl stände, auch vermögender, ihren Wünschen hierin zu folgen. Bei freien Menschen entsteht Nacheiferung; und es bilden sich bessere Erzieher, wo ihr Schicksal von dem Erfolge ihrer Arbeiten, als wo es von der Be förderung abhängt, die sie vom Staate zu erwarten haben. Es wird da-