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vorigen Räsonnement kommt schlechterdings Alles auf die Ausbildung des Menschen in der höchsten Mannigfaltigkeit an; öffentliche Erziehung aber muß, selbst wenn sie diesen Fehler vermeiden, wenn sie sich bloß darauf einschränken wollte, Erzieher anzustellen und zu unterhalten, immer eine bestimmte Form begünstigen. Es treten daher alle die Nachtheile bei derselben ein, welche der erste Theil dieser Untersuchung hinlänglich dar gestellt hat; und ich brauche nur noch hinzuzufügen: daß jede Einschrän kung verderblicher wird, wenn sie sich auf den moralischen Menschen be zieht; und daß, wenn irgend etwas Wirksamkeit auf das einzelne Indivi duum fordert, dies gerade die Erziehung ist, welche das einzelne Indivi duum bilden soll. Es ist unläugbar, daß gerade daraus sehr heilsame Folgen entspringen, daß der Mensch in der Gestalt, welche ihm seine Lage und die Umstände gegeben haben, im Staate selbstthätig wird, und nun durch den Streit — wenn ich so sagen darf — der ihm vom Staat angewiesenen Lage, und der von ihm selbst gewählten, zum Theil er anders geformt wird, zum Theil die Verfassung des Staats selbst Aenderungen erleidet: wie denn dergleichen, obgleich freilich auf einmal fast unbemerkbare Aenderungen, nach den Modifikationen des Nationalcharakters, bei allen Staaten unver kennbar sind. Dies aber hört wenigstens immer in dem Grade auf, in welchem der Bürger von seiner Kindheit an schon zum Bürger gebildet wird. Gewiß ist es wohlthätig, wenn die Verhältnisse des Menschen und des Bürgers, so viel als möglich, zusammen fallen; aber es bleibt dies doch nur alsdann, wenn das Verhältniß des Bürgers so wenig eigen- thümliche Eigenschaften fordert, daß sich die natürliche Gestalt des Men schen, ohne etwas aufzuopfern, erhalten kann: — gleichsam das Ziel, wo hin alle Ideen, die ich in dieser Untersuchung zu entwickeln wage, allein hinstreben. Ganz und gar aber hört es auf, heilsam zu sein, wenn der Mensch dem Bürger geopfert wird. Denn, wenn gleich alsdann die nach theiligen Folgen des Mißverhältnisses wegfallen; so verliert auch der Mensch dasjenige, was er gerade durch die Vereinigung in einen Staat zu sichern bemüht war. Daher müßte, meiner Meinung zufolge, die freieste, so wenig als möglich schon auf die bürgerlichen Verhältnisse gerichtete Bildung des Menschen überall vorangehn. Der also gebildete Mensch müßte dann in den Staat treten, und die Verfassung des Staats sich gleichsam an ihm prüfen. Nur bei einem solchen Kampfe würde ich wahre Verbesserung der Verfassung durch die Nation mit Gewißheit hoffen; und nur bei einem solchen, schädlichen Einfluß der bürgerlichen Einrichtung auf den Menschen nicht besorgen. Denn selbst, wenn die letztere sehr fehlerhaft wäre, ließe sich denken, wie gerade durch ihre einengenden Fesseln die widerstrebende, oder trotz derselben, sich in ihrer Größe erhaltende, Energie des Maschen gewönne. Aber dies könnte nur sein, wenn dieselbe vorher sich in ihrer Freiheit entwickelt hätte. Denn, welch ein ungewöhnlicher Grad gehörte dazu, sich auch da, wo jene Fesseln von der ersten Jugend an drücken, noch zu erheben und zu erhaltend Jede öffentliche Erziehung aber, da immer der Geist der Regierung in ihr herrscht, giebt dem Men schen eine gewisse bürgerliche Form. Wo nun eine solche Form an sich bestimmt, und in sich, wenn gleich einseitig, doch schön ist, wie wir es in den alten Staaten und vielleicht 3*