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15 einschränken möchte, sondern ihn gern auf jedes praktische Unternehmen überhaupt ausdehne. Für einen so rüstigen Vertheidigcr der Vernunft in des), als Sie sind, möchte er dieselbe Evidenz nicht haben. Ich verweile daher länger dabei. Ehe ich jedoch zu den Gründen übergehe, vorher noch ein paar Worte zur näheren Bestimmung desselben. Zuvörderst, sehen Sie, lasse ich den Entwurf der Nationalversammlung zu einer Gesetzgebung für den Entwurf der Vernunft selbst gelten. Zweitens will ich auch nicht sagen, daß die Grundsätze ihres Systems zu spekulativ, nicht auf die Ausführung berech net sind. Ich will sogar voraussetzen, alle Gesetzgeber zusammen hätten den wirklichen Zustand Frankreichs und seiner Bewohner auf das anschau lichste vor Augen gehabt; und die Grundsätze der Vernunft diesem Zustande, so viel als es nur überhaupt und jenem Ideale unbeschadet, möglich war, angepaßt. Endlich rede ich nicht von den Schwierigkeiten der Ausführung. Wie wahr und witzig es auch sein mag: yu'il n« kaut xas äonnor äss leyons cl'nnntomie sur rm oorxs vivant; so müßte doch erst der Erfolg zeigen, ob nicht dennoch das Unternehmen Dauer gewinnt und nicht fest gegründetes Wohl des Ganzen vorübergehenden Nebeln Einzelner vorgezogen zn werden verdient? — Ich gehe also bloß von den simplen Sätzen aus: 1) Die Nationalversammlung wollte eine völlig neue Staatsverfassung gründen; 2) sie wollte dieselbe in allen ihren einzelnen Theilen nach den reinen, wenn gleich der individuellen Lage Frankreichs angepaßten, Grund sätzen der Vernunft bilden. Ich nehme diese Staaksverfassung (für den Augenblick) völlig ausführbar, oder wenn man will, auch als schon wirk lich ausgeführt an. Dennoch, sage ich, kann eine solche Staatsverfassung nicht gedeihen. Eine neue Verfassung soll auf die bisherige folgen. Au die Stelle eines Systems, das allein darauf berechnet war, so viel Mittel als mög lich aus der Nation zur Befriedigung des Ehrgeizes und der Verschwen dungssucht eines Einzigen zu ziehen, soll ein System treten, das nur die Freiheit, die Ruhe und das Glück jedes Einzelnen zum Zweck hat. Zwei ganz entgegengesetzte Zustände sollen also auf einander folgen. Wo ist nun das Band, das beide verknüpft? Wer traut sich Erfindungskraft und Ge schicklichkeit genug zu, es zu weben? Man studire noch so genau den gegen wärtigen Zustand; man berechne noch so genau darnach das, was man auf ihn folgen läßt: immer reicht es nicht hin. Alles unser Wissen und Er kennen beruht auf allgemeinen, d. i. wenn wir von Gegenständen der Er fahrung reden, unvollständigen und halbwahren Ideen; von dem Indivi duellen vermögen wir nur wenig aufzufassen. Und doch kömmt hier Alles auf individuelle Kräfte, individuelles Wirken, Leiden und Genießen an. Ganz anders ist es, wenn der Zufall wirkt, und die Vernunft ihn nur zu lenken strebt. Aus der ganzen individuellen Beschaffenheit der Gegenwart — denn diese von uns unerkannten Kräfte heißen uns doch nur Zufall — geht dann die Folge hervor. Die Entwürfe, welche die Vernunft dann durchzusetzen bemüht ist, erhalten, wenn auch ihre Be mühungen getingen, von dem Gegenstände selbst noch, auf den sie angelegt sind, Form und Modifikation. So können sie Dauer gewinnen, so Nutzen stiften. — Auf jene Weise, wenn sie auch ausgeführt werden, bleiben sie ewig unfruchtbar. Was im Menschen gedeihen soll, muß aus seinem Innern entspringen, nicht ihm von Außen gegeben werden; und was ist