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10 idee, von welcher ans allein das Verstehen dieser in ihrer vollen Wahrheit möglich ist, liegt nicht in ihrem Kreise. Sie umfassen nur die in regel mäßig sich wieder erzeugender Ordnung überschaubaren Erscheinungen der tobten, lebendigen und geistigen Natur, aber keinen freien und selbständigen Impuls einer ursprünglichen Kraft; jene Erscheinungen geben daher auch nur Rechenschaft von regelmäßig, nach erkanntem Gesetz oder sicherer Er fahrung wiederkehrenden Entwickelungen; was aber wie ein Wunder ent steht, sich wohl mit mechanischen, physiologischen und psychologischen Er klärungen begleiten, aber aus keiner solchen wirklich ableiten läßt, das bleibt innerhalb jenes Kreises auch nicht bloß unerklärt, sondern unerkannt. Wie man es immer anfangen möge, so kann das Gebiet der Erschei nungen nur von einem Punkte außer demselben begriffen werden, und das besonnene Heraustreten ist ebenso gefahrlos, als der Jrrthum gewiß bei blindem Verschließen in demselben. Die Weltgeschichte ist nicht ohne eine Weltregierung verständlich. Mit dem Festhalten dieses Gesichtspunktes ist gleich der bedeutende Vortheil gewonnen, das Begreifen der Begebenheiten nicht für abgeschlossen zu erachten durch jene, aus dem Kreise der Natur genommenen Erklärun gen. Uebrigens wird aber freilich dem Geschichtschreiber dadurch der letzte, schwierigste und wichtigste Theil seines Weges wenig erleichtert. Denn es ist ihm kein Organ verliehen, die Plane der Weltregierung unmittelbar zu erforschen, und jeder Versuch dazu dürste ihn, wie das Aufsuchen von End ursachen, nur auf Abwege führen. Allein die außerhalb der Natur entwickelung liegende Leitung der Begebenheiten offenbart sich dennoch an ihnen selbst, durch Mittel, die, wenn gleich nicht selbst Gegenstände der Erscheinung, doch an solchen hängen und an ihnen, wie unkörperliche Wesen, erkannt werden, die man aber nie wahrnimmt, wenn man nicht, hinaustretend aus dem Gebiete der Erscheinungen, im Geiste in dasjenige übergeht, aus dem sie ihre Abkunft haben. An ihre Erforschung ist also die letzte Bedingung der Lösung der Aufgabe des Geschichtschreibers geknüpft. Die Zahl der schaffenden Kräfte in der Geschichte wird durch die unmittelbar in den Begebenheiten auftretenden nicht erschöpft. Wenn der Geschichtschreiber auch alle einzeln, und in ihrer Verbindung durchforscht hat, die Gestalt und die Umwandlungen des Erdbodens, die Veränderungen des Klima's, die Geistesfähigkeit und Sinnesart der Nationen, die noch eigenthümlichere Einzelner, die Einflüsse der Kunst und Wissenschaft, die tief eingreifenden und weit verbreiteten der bürgerlichen Einrichtungen, so bleibt ein noch mächtiger wirkendes, nicht in unmittelbarer Sichtbarkeit auftretendes, aber jenen Kräften selbst den Anstoß und die Richtung ver leihendes Prinzip übrig, nämlich Ideen, die, ihrer Natur nach, außer dem Kreise der Endlichkeit liegen, aber die Weltgeschichte in allen ihren Theilen durchwalten und beherrschen. Daß solche Ideen sich offenbaren, daß gewisse Erscheinungen, nicht erklärbar durch bloßes, Naturgesetzen gemäßes Wirken, nur ihrem Hauch ihr Dasein verdanken, leidet keinen Zweifel, und ebenso wenig, daß es mithin einen Punkt giebt, auf dem der Geschichtschreiber, um die wahre Gestalt der Begebenheiten zu erkennen, auf ein Gebiet außer ihnen ver wiesen wird. Die Idee äußert sich aber auf zwiefachem Wege, einmal als Richtung, die anfangs unscheinbar, aber allmälig sichtbar, und zuletzt unwiderstehlich,