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dem Anbau und Bevölkerung des Erdbodens, in zunehmender Kultur der Völker, in innigerer Verbindung aller, in endlicher Erreichung eines Zu standes der Vollkommenheit der bürgerlichen Gesellschaft, oder in irgend einer Idee dieser Art. Von allem diesem hängt zwar unmittelbar die Thätigkeit und Glückseligkeit der Einzelnen ab, allein waS jede Generation davon, als durch alle vorigen errungen, empfängt, ist nicht Beweis und nicht einmal immer gleich bildender Ucbungsstoff ihrer Kraft. Denn auch was Frucht des Geistes und der Sinnesart ist, Wissenschaft, Kunst, sitt liche Einrichtung, verliert das Geistige und wird zur Materie, wenn nicht der Geist eS immer von Neuem belebt. Alle diese Dinge tragen die Natur des Gedankens an sich, der nur erhalten werden kann, indem er gedacht wird. Zu den wirkenden und schaffenden Kräften also hat sich der Geschicht- schrciber zu wenden. Hier bleibt er auf seinem eigenthümlichen Gebiete. Was er thun kann, um zu der Betrachtung der labyrintisch verschlungenen Begebenheiten der Weltgeschichte, in seinem Gemüthe eingeprägt, die Form mitzubringen, unter der allein ihr wahrer Zusammenhang erscheint, ist, diese Form von ihnen selbst abzuziehen. Der Widerspruch, der hierin zu liegen scheint, verschwindet bei näherer Betrachtung. Jedes Begreifen einer Sache setzt, als Bedingung seiner Möglichkeit, in dem Begreifenden schon ein Analogon des nachher wirklich Begriffenen voraus, eine vorher gängige, ursprüngliche Uebereinstimmung zwischen dem Subjekt und Objekt. Das Begreifen ist keineswegs ein bloßes Entwickeln aus dem ersteren, aber auch kein bloßes Entnehmen vom letzteren, sondern beides zugleich. Denn es besteht allemal in der Anwendung eines früher vorhandenen All gemeinen auf ein neues Besonderes. Wo zwei Wesen durch gänzliche Kluft getrennt sind, führt keine Brücke der Verständigung von einem zum andern, und um sich zu verstehen, muß man sich in einem andern Sinne schon verstanden haben. Bei der Geschichte ist diese vorgängige Grundlage des Begreifens sehr klar, da Alles, was in der Weltgeschichte wirksam ist, sich auch in dem Innern des Menschen bewegt. Je tiefer daher das Ge- müth einer Nation alles Menschliche empfindet, je zarter, vielseitiger und reiner sie dadurch ergriffen wird, desto mehr hat sie Anlage', Geschicht schreiber im wahren Sinne des Wortes zu besitzen. Zu dem so Vorberei teten muß die prüfende Uebung hinzukommen, welche Las Vorempfundene an dem Gegenstände berichtigend versucht, bis durch diese wiederholte Wechselwirkung die Klarheit zugleich mit der Gewißheit hervorgeht. Auf diese Weise entwirft sich der Geschichtschreiber durck das Studium der schaffenden Kräfte der Weltgeschichte ein allgemeines Bild der Form des Zusammenhanges aller Begebenheiten, und in diesem Kreise liegen die Ideen, von denen im Vorigen die Rede war. Sie sind nicht in die Ge schichte hineingetragen, sondern machen ihr Wesen selbst aus. Denn jede todte und lebendige Kraft wirkt nach den Gesetzen ihrer Natur, und Alles, was geschieht, steht, dem Raume und der Zeit nach, in unzertrennlichem Zusammenhänge. In diesem erscheint die Geschichte, wie mannigfaltig und lebendig sie sich auch vor unserem Blicke bewegt, doch wie ein todtes, unabänderlichen Gesetzen folgendes, und durch mechanische Kräfte getriebenes Uhrwerk. Denn eine Begebenheit erzeugt die andere, Maaß und Beschaffenheit jeder Wirkung wird durch ihre Ursache gegeben, und selbst der frei scheinende