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XXII das Tiefste zerrüttet waren. Zu einer solchen Zeit in der Hauptstadt des Landes, mit ungeheurem Geldaufwand, der Wissenschaft einen neuen Mittel punkt und Pflanzort zu schaffen, mag Vielen, vor Allem anderen Nationen, als eine Donquixoterie erscheinen; wir erklären es nicht nur für eine Heldenthat, sondern auch für eine That größter Weisheit. Es war übrigens ein „echt preußischer Gedanke und so heroisch, wie nachmals die Thaten preußischer Männer und Jünglinge auf den Schlachtfeldern des Befreiungskrieges. Nicht vornehmer war dieser Gedanke, als es der Glaube an die Macht der Bildung und der Wissenschaft überhaupt ist. Er war gleich gemeinnützig und populär, wie die Maßregeln Steins und Scharnhorsts, wie die Aufhebung der Erbunterthänigkeit und die Ein führung des Systems allgemeiner Wehrpflichtigkeit. Nicht eine Luxus einrichtung, sondern eine Maßregel der Sparsamkeit war es. Wenn Humboldt die Armuth des Staates zu einer schweren Steuer für die Wissenschaft und für die anständigste Ausstattung einer neuen Hochschule heranzog, io wußte er, daß auf den Geist spekuliren eine gute Spekulation sei. Er iah voraus, daß unter dem Panier der Wissenschaft der Muth und die Gesinnung sich wiederfinden werde, das eigene Leben freudig für des Vaterlandes Ehre und Freiheit zu verschwenden, sah voraus, daß aus den Hörsälen der Fichte und Schleiermacher eine Schaar hervorgehen würde, bereit, mit ihrem Blute dem Vaterlande zurückzuzahlen, was sie geistig demselben verdanke. Aus des Busens Tiefe strömt Gedeihen! — ganz auf diesen Glauben stand Humboldt'S neue Schöpfung."') — Bei dieser That sowol als auch bei den übrigen Maßregeln, die er während seiner kurzen Amtsdauer ins Werk setzte, war seine Grund anschauung von dem Wesen und Werthe der Wissenschaft thätig. Und jetzt zahlte er reichlich seinem Freund und Lehrer Wolf zurück, was er von ihm empfangen hatte. Zwar den Mann selbst konnte er nicht mehr seinen großen Plänen dienstbar machen, so dringend und großherzig er sich auch bemühte, ihm als Dirigenten der wissenschaftlichen Deputation in seinem Ressort eine seinen Verdiensten angemessene Stellung zu verschaffen. Wolf zeigte 'sich nicht mehr als der alte; kränklich und mürrisch, wie er war, ging er nicht auf die Pläne seines Freundes ein. Aber die Keime, die Wolf einst in seinem größten und besten Schüler niedergelegt hatte, kamen nichtsdestoweniger zur schönsten Entwickelung, und würden noch ganz andere Früchte gezeitigt haben, wenn nicht bald aufs Neue ein häß licher Mehlthau ihren Fortgang gehemmt hätte. Die wissenschaftliche Bildung, welche Humboldt pflegte, trug ganz den Charakter seines eigenen Geistes. Humanistisch und ideal, wie jene „großen Heiden", Schiller, Göthe und Humboldt selbst es waren, die nicht umsonst aus dem klassischen Alterthum und dem Studium der Philosophie sich Ideen und Anschauungen der edelsten Art geholt hatten; — humanistisch nnd ideal sollte auch die Wissenschaft und die Bildung unter Humboldt's Auspicien sich gestalten, gleich weit entfernt von der utilistischen Richtung des Ma terialismus und der Ideologie einer theologisirenden Richtung der Wissen schaft. Dieser Idealismus der höchsten Art vertrat für Humboldt selbst die Stelle der Religion. Auf dem Boden eines positiven dogmatischen Bekenntnisses stand er im Uebrigen so wenig, wie seine großen Freunde ') Haym, a. a. O. S. 271 f.