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nicht geringen Einfluß ausgeübt, denn in seiner später erscheinenden Dar stellung der Alterthumswissenschaft hat er ausdrücklich Hmnboldt's Einfluß dankbar anerkannt und Stellen aus dessen Manuskript mitgetheit. Mit Recht urtheilt Schlesier (B. I. S. 210) über Hmnboldt's philologische Studien: „Den höchsten Genuß und die tiefste Belehrung schöpfte Hum boldt aus dem Studium des griechischen Alterthums und der von ihm auf uns gekommenen Werke. Er sah darin nicht bloß das Mittel für seine eigene Ausbildung, sondern er forschte an diesem Gegenbild zugleich den ge brechlichen Seiten unserer neueren Kultur nach. Auf diese Kultur der Alten stützt sich, nach Humboldt's Ansicht, ein großer Theil unserer Einrichtungen und unserer Bildung. Dagegen haben wir unendlich viel gegen die Griechen verloren, was zur allseitigen Entwickelung echter Menschheit unentbehrlich ist. Durch nichts so leicht aber, als durch das Studium der Griechen können wir diese Einsicht erhöhen, und nicht nur unsere eigene Bildung vervollkommnen, sondern zugleich erkennen, was uns Neueren überhaupt abgeht, was wir eifrig erstreben müssen. Die Griechen waren ein Volk, das vor allen anderen eine seltene Höhe der Kultur mit einem bewunderns- werthen Grade ursprünglicher Menschheit, Kraft und Natürlichkeit vereinigte. Darin überragen sie alle neueren, namentlich die nördlichen Völker ge waltig, wenn diese auch zum Theil die Alten an Kultur überflügelt haben. Aber trotz dieser Kultur und grade durch sie müssen wir früher oder später zu der Ueberzeugung kommen, daß die Menschheit, um sich wahrhaft ihrem Ideale zu nähern, auch jene natürlichen Kräfte wieder mehr zu entwickeln habe." — Es ist ziemlich naheliegend, wie verwandt diese Anschauung von dem griechischen Alterthum mit dem Zuge unserer großen Dichter nach demselben gelobten Lande ist. Die Uebereinstimmung, welche zwischen Humboldt und Schiller in ihrer Stellung zur Kantifchen Philosophie be stand, ist schon oben erwähnt worden. Hierzu kam nun endlich die immer steigendere Bewunderung für den Genius der Schiller'schen Poesie, zu der Humboldt's für alles Schöne empfängliche Geist hingerissen wurde. Der Dichter des Don Carlos, der Götter Griechenlands, der Künstler, wurde von Humboldt gesucht, und die verwandten Geister fanden sich und wurden die vertrautesten Freunde. Im Jahre 1794 zog Humboldt, um die Ruhe einer kleinen Stadt mit wissenschaftlichem Verkehr zu vereinigen, mit seiner Familie nach Jena. Einige Monate später kehrte auch Schiller von einer Reise, die er in seine Heimath unternommen hatte, dorthin zurück, und es beginnt der innige freundschaftliche Verkehr und der intime geistige Austausch zweischen den Beiden, der, wenn auch zum Theil unterbrochen durch Humboldt's Reisen, bis zum Tode Schillers dauerte. Welch ein Glück es war, wenn zwei solchen Geistern es gestattet war, sich einander ganz anzugehören und in dem belebenden fruchtbaren Wechselverkehr sich ihres eigenen WertheS, ihres inneren Reichthums erst recht bewußt und klar zu werden; ist leicht zu begreifen: — und zwar ein Glück nicht nur für die Beiden, sondern für die ganze Welt. Denn sicher hat Schiller an kritischer Schärfe seiner Darstellung in den wissenschaftlichen und ästhetischen Schriften durch Hum boldt's Anregung reichen Gewinn gehabt; andererseits mußte dessen har monische allseitige Bildung und die männliche Reife den Jdeengang der Schiller'schen Poesie wesentlich nnd vortheilhaft beeinflussen. Humboldt aber lernte zum ersten Male ein Genie kennen, welches mit einer unend-