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Xl Reihe tüchtiger Männer brachte. Die erste Stelle unter diesen nimmt der Schwiegersohn Heyne's, Georg Förster ein, mit dem W. v. H. in ein spezielleres Freundlchaftsbündniß trat. Es beginnt nun für H. die Zeit der Jugendfreundschaften, welche eine lauge Reihe wohlklingender Namen, und bei der Vielseitigkeit H's. sehr verschiedene Naturen auf weist. Unter allen seinen Freunden hat sein Bruder Alexander ihm allezeit am nächsten gestanden, vielleicht Schiller allein ausgenommen; von den klebrigen aber nimmt wohl G. Förster die erste Stelle ein, und kaum ist Humboldt, auch in späterem Leben wieder einem Menschen be gegnet, an den er sich durch Gleichheit der Gesinnung und des Urtheils in dem Grade gefesselt fühlte. Beide waren vollständige, unbedingte Idealisten; das Studium der Karelischen Philosophie hatte ihren Ge dankenkreis ausgefüllt und ihm jene eigenthümliche Richtung aufs Ideale und Erhabene gegeben, die wir nicht selten grade bei Männern jener Zeit finden. Noch wenig bekannt mit der rauhen Praxis des Lebens, schauten Beide, sowohl der junge Göttinger Student, als auch der ältere Förster, die Welt so verklärt und rein an, wie sie sich nur in dem Kopfe eines Kindes wiederspiegeln kann. Die eben erwachte französische Freiheit wurde natür lich von ihnen, wie von allen edel denkenden Deutschen, damals mit un- verholenem Jubel begrüßt, und so eingesponnen W. v. H. auch damals noch in seine eigenen Gedanken und Träumereien war, so entschloß er sich doch mit seinem früheren Lehrer Kampe, dessen sehnlicher Wunsch es war, „der Leichenfeier des französischen Despotismus" beizuwohnen, den Schauplatz der großen Begebenheiten selbst zu besuchen. Zwei Monate des Sommers 1789 brachten sie in Paris zu, dann nach einer längeren Reise durch Deutschland und die Schweiz kehrte Humboldt im Jahre 1790 nach Berlin zurück. — Er kam ein ganz Anderer, als wie er zwei Jahre zuvor gegangen war. Seine Bildung schien nahezu vollendet, er war ein Mann gewor den und trat nun mit vollem Bewußtsein in das Berliner Gesellschafts leben ein. Ueberall war er wegen seiner Kenntnisse und seines Geistes ein gern gesehener Gast. Die Bekanntschaften, die er allerorts gemacht hatte, hatten seine Kenntniß von Welt und Leben außerordentlich ausge bildet, und wie ein gesund sich entwickelnder Baum, aus der Luft, die ihn umgiebt, nur die Elemente in sich aufnimmt, die er sich assimiliren kann, diese aber auch zu finden weiß, mit demselben sicheren Takte hatte sich W. v. H. den vielseitigen Verkehr eigenthümlich begabter und denkender Menschen zu Nutzen gemacht. Denn wir haben hierbei noch unerwähnt gelassen, daß er sich auf seiner Rückkehr nach Berlin längere Zeit in Erfurt, Weimar und dem kleinen thüringschen Bade Lauchstedt aufhielt und dort nicht nur die genaue Bekanntschaft des Freiherrn von Dalberg, des vor trefflichen fein gebildeten, wenn auch zu wenig selbständigen Coadjutors und späteren Reichskanzlers machte, sondern auch zuerst mit den großen Weimaranern, wenn schon zunächst nur oberflächlich, in Berührung kam, und endlich Karoline von Dachröden, seine spätere Gattin, kennen kernte. Wir kennen Berlin nach dem Tode des zweiten Friedrich leider nur zu genau, und es ist wohl kaum nöthig, dem Leser Sitten und Zustände jener Zeit zu schildern. Mirabeau's Ausspruch: »xourrituro avant ma- turitö« bezeichnet Preußens und speziell Berlins damalige Lage ziemlich