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'.824 Humor färbte. Der Humor, den der Autor ihm zuertheilt hat, besteht eigentlich nur rn der Vorliebe für da- Tabakqualmen. Hierauf folgte die bereit- neulich besprochene: „Vollkom mene Frau", die noch in frischerem Zusammenspiel als dü nste Mal zur Geltung kam. Der scheidenden Beuifiziantin wurde Hervorruf und eine reiche Blumenstraußspende zu Theil, ein Beweis für die Sympathien, welche fich Fräulein Delia durch viele treffliche Leistungen auf dem Gebiete de- Lustspiels und SaloudramaS hin erworben hat. Rudolf Gottschall. Leipzig. 31. August. Die bekannte Posse: „Der Goldonkel" von Emil Pohl hat einige burle-kkomische Sceveu und einige Scenen im rührenden Genre der Kotzebue'schen Muse, welche trotz de- trivialen Grundion-! nicht Übel und immer dev Frivo litäten dn französischen Hoffen weit vorzuziehen sind. Schade daß der Schluß, da- unvermeidliche Familien- und Gartenfest, ohne welche- kaum eine Berliner Posse bestehen kann, mit den Indianerverkleiduvgen matt und abgeschmackt ist. Fräul. Marie Räder vom Petersburger Hoftheater, die als Laura Kiekebusch zum ersten Male auflrat, hat den echten Berliner Soubrettenpli und spielte namentlich im letzten Act recht niedlich. Gleichwohl fehlt ihr, wenigsten- nach dieser ersten Darstellung zu urtheilen, die durchgreifende Komik; sie malt komische Mtniaturbilder mit allerlei possirlichen Feinheiten, aber ihre Komik schöpft nicht recht au- dem Vollen. Auch erschien bei dem Coupletvortrag ihre Stimme etwa- schwach. 9m Ganzen wurde ihre Leistung bei fällig ausgenommen; doch erschien Fräulein Räder nicht nach dem Hervorruf de- zweiten ActeS. Herr Engelhardt (Florian Böhlke) gab den unglücklichen Ehegatten mit der nöthigen Devotion und Furcht vor dem Haus drachen. Die eingelegten Couplets über da- einnehmende Wesen waren recht gelungen und verschafften dem Komiker den Haupt- succeß deS Abends. Herr Eckert als Blumenkranz zeigte wieder seine Begabung für charakteristische Komik namentlich in dem EöelmuthSmonolog, wo der alte Adam in dem jüdischen Handels mann sich regt und gegen die edle Handlung protestiren will. Die eingelegten Couplets dagegen waren durch den verbindenden Text viel zu weitschweifig geworden, denn dieser machte den Ein druck politischer Leitartikel. Herr Gitt gab dem Constantin Böhlke die seemännische Tüchtigkeit, welche die Onkel auS Cali- fornien und Australien besitzen müssen. Die übrigen Rollen sind theil- unbedeutend, theil- ist ihre Besetzung von früher her bekannt. In der Iufceuiruny kamen im ersten Act mehrere Störungen vor. Namentlich mißglückte auch die geweltsame Entführung der erwachten Mathilde, welche cS zuletzt vorzog, den Entführern freiwillig zu folgen, da ihr Stuhl sich durchaus nicht in Bewegung sitzen ließ. Rudolf Gottschall. Feldpostbriefe. Lkrouvillki 23. August. Mir ist eS jetzt so wohl gegangen, daß ich gar nicht zum Schreiben gekommen bin; auS dem lang weiligen Bivouak kamen wir vorgestern, Sonntag Abend, endlich wieder einmal m ein Alarmquartier nach Vignot; wir mußten unS im Dunkeln selbst Quartier suchen, ich war aber so glücklich, ein brillantes zu finden. Wir haben da gelebt wie der liebe Gott in Frankreich. Alle-, waö der Wirth, der ein Zimmermeister war. hatte, bekamen wir, die verschiedensten Weine, Champagner, Alles umsonst; wir lagen 6 Mediciner zusammen, aber wir sollten nicht einmal ein Trinkgeld bezahlen. Vignot ist ein Dorf bei der Stadt Commercy, wo wir gestern Nachmittag waren und seit langer Zeit wieder ein Gläschen Bier tranken. Die Läden sind natürlich hier überall geschloffen und man kann nur mit großer Mühe sich daS Notdürftigste kaufen; wir brachten unser» WirthS- töchtern kleine Grfchenke mit, worüber sie sich sehr freuten. Heute kamen wir bis auf die Haut durchnäßt nach dem Dorfe Lerouville, wo wir ein ganz feine-, allerdings noch nicht ganz fertiges kleines Schlößchen bezogen haben. Dte Einrichtung ist sehr gut, aber wir haben keine Betten. Fleisch haben wir heute nicht erhalten, deshalb wurde ein Huhn gekauft, welches wir mit vielem Appetit verspeist haben; Wein giebt unS unser Wirth in bester Qualität, wie er bei unS zu Hause kaum zu haben ist. Ihr seht also hieraus, daß wir nicht verderben und darben, da- dicke schlechte Ende kann allerdings noch Nachkommen. Mein Leben habe ich eigentlich schon verloren, denn Jeder wundert sich, wenn er mich sieht; ich soll nämlich in der Schlacht bei Metz gefallen sein!» Euer Sohn Adolf. AuS einem zur Einsicht freundlichst überlassenen Briefe auS St. Johann, datcrt vom 26. August, welcher sich über die Detail- der Kämpfe bei Saarbrücken vom 2. bis 6. August, die zur Genüge bereit- bekannt geworden sind, verbreitet, entnehmen wir. um eine neuerdings in diesim Blatte wieder aufgetauchte Anfrage zu berücksichtigen, daß bei dem Bombardement der Städte Saarbrücken und St, Johann seiten- der Franzosen nur einige Wohnhäuser in der Nähe de- Bahnhöfe- in Brand gerathen find, ein größerer Schaden dagegen verhütet worden ist. r. Leipzig, 31. August. Ei« geborener Leipziger, welcher bei AuSbruch deS Kriege- in einer Berliner Maschinenbaus«statt alS Schlofsergehülfe arbeitete und zum 2. Brandenburg. Füsilier- Regiment Nr. 35 einberufen wurde, schreibt an seine hiesigen An gehörigen, nachdem er schon früher die blutigen Kämpfe bei Saar brücken glücklich bestanden, unterm 25. August Folgende-: Am 15. d. M. kam Prinz Friedrich Karl in unser Lager, recht- seit wärts von Pont-L-Mouffout und machte unS dre Mitrheilung, daß, wenn wir heute und morgen die Beine laufen ließen, Wa ste laufen könnten, wir an die Franzosen heran kommen würden. Ein kräftige- Hurrah war die Antwort. Abend- 7 Uhr rückten wir ab und passtrten gegen 11 Uhr die Schiffbrücke über die Mosel. Gegen 1 Uhr kamen wir in- Bivouak und blieben da selbst bis morgen- 6 Uhr, um welche Zeit in der Richtung nach Norden weiter marschin wurde, um den Feind bei etwaigem Durchbruch auf dem Wege nach Verdun und ChalonS in der linken Flanke avzugreifev. Um 11 Uhr Vormittags kamen wir nach Uebersteiguvg de- Gebirges in- freie Feld und wenige Mi nuten dauerte eS, so befand sich die 6. Division schon dem feind lichen Artilleriesiuer gegenüber. Wir zogen die Chaussee nach Vionvtlle entlang, legten in einer Vertiefung da- Gepäck ab und nun ging eS, nicht.wie immer gesagt wird, mit französischer, son dern mit deutscher Schnellfüßigkeit vor. Auf eine Entfernung von 1500 Schritt bekamen wir ein derartiges Schnellfeuer, daß eS förmlich Kugeln regnete. DaS konnte uns nicht abhalten, mit aufgepflanztem Seitengewehr im Dauerlauf vorzugeheu und da vor unS liegende, vom Feinde besetzte Dorf zu nehmen. Todte und Verwundete lagen in Masse um mich her; bald kam ich auch zum Stürzen, ohne eigentlich verwundet zu sein. Gegen zwei Stunden mochte ich ohne Bewußtsein dagelegeu haben, alS mich zwei Mann meiner Corporalschaft, als sie noch Leben in mir spürten, aufhoben und nach dem nächsten Feldlazareth brachten. Ich fühlte heftige- Seitenstechen und Brustschmerzen, außerdem hatte ich, während ich bewußtlos auf dem Schlachtfelde lag, einen Prellschuß am rechten Bein erhalten und wurde darauf am näch sten Tage nach Deutschland und zwar nach Essen, wo ich mich im Elisabethkloster zur Verpflegung befinde, zurückgebracht. (Eingesandt.) „Dte kletnerr Sachsen " Al- am 6. v M. daS Sangerhäuser Landwehr-Bataillon mit seinem Regimeute auf dem AugustuSplatze ausmarfchirte, knüpfte Schreiber dieser Zeilen eine Unterredung mit einem Musketier desselben während einer StillstandSpause an. Indem er mit ihm sich unterhielt, kam ebenfalls Über diesen Platz eine Abtheiluvg Rekruten vom hiesigen Regiment Nr 107 in Reih und Glied einher. „Ne, sind daS kleine Kerle, die Sachsen!" entfuhr eS meinem Freunde bei deren Anblicke! „„Nun"", erwiderte ich, „ „eS giebt auch eine hübsche Zahl große drunter. Und auf die Länge kommt'S ja nicht an. Meine Heimath liegt auch in Preußen, aber deshalb habe ich kein Voruriheil gegen die Sachsen als Soldaten. Ueberhaupt ist mir der gute Soldat deS kleinsten Staate- so achmngSwerth, wie der deS größten."" „I freilich, da haben Sie auch ganz recht", fiel mir der brave Mann hier ein, „da- wär' ja Unsinn, die Sache anders anzusehen." Bei diesem Worte er scholl wieder ein Commando, mtt welchem Unterredung und Be kanntschaft ein Ende hatte. Da mir aber dieselben Aeußeruvgen öfter zu Ohren gekommen sind und sich gerade daS Regiment Nr. 107, wenn auch ohne Bethelligung jener Rekruten, neben den baumlangen preußischen Garden so spartanisch bei St. Privat vor Metz geschlagen hat, so habe ich eS für meine Pflicht erachtet, da- Zwiegespräch hiermit der Oeffentlichkeit zu übergeben. (Eingesandt.) Mit welchem Leichtsinn in der jetzigen Z'it Nachrichten in die TageSblätter eivgesavdt werden, davon giebt ein Bericht der „Constitutionellen Zeitung", der seiner Zeit auch in andere Blätter übergegangen ist, einen traurigen Beweis. ES ist darin gesagt, daß ein Landwehrmanu wegen einiger Fehler beim Exerciren von einem Officier sich- bis sieben Ohr feigen erhalten hätte. — Wir sind diesem Gerücht auf den Grund gegangen, und als Wahrheit stellt sich heraus, daß ein Landwehr mann allerdings eine thätliche Zurechtweisung erhalten, aber nicht wegen eine- bloßen Fehlers beim Exerciren, sondern weil derselbe trotz zweimaliger Instruction von Seiten deS OfficierS uud UnterofficrerS, keine Patrone zu laden, dasselbe doch gethau und dabei seinen Unterofficier beinahe erschossen hätte. — E- ist wohl begreiflich, daß der Führer von Laadwehrleuteu, dem in . kürzester Zeit die ganze Beravtworlichkeit der FeuerdiScrpli i auf- gebürdet wird, gezwungen ist, da energisch einzugreifen, wo Worte der Belehrung vollständig resultatloS bleiben, zumal die Platz patronen der Zündnadel vermöge de- darin, enthaltenen Spiegel- auf 20 Schritt noch gefährlich verwunden können.