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690 Stierjagd in den Campo's. vielleicht sehr reiche Besitzer, der Herrn von 200,000 Rindern und 50,000 Pferden ein Leben, welches, wie es scheint, auch seine Annehmlichkeiten hat, denn würde man dies nicht voraussetzen müssen, so würde es unbe greiflich sein, wie Menschen, den gebildeten Ständen angehörig, wenn sie auf solche Weise reich geworden, sich noch ferner der schrecklichen Art zu leben hingeben, sich nicht lieber nach dem Mntterlande oder wenigstens nach einer Hauptstadt Brasiliens zurückziehen, um sich dort, so viel es geht, ihres Lebens zu erfreuen. Wir wollen einfach sagen, sie müssen auch ihre Freuden haben, sonst würden sie ja ein anderes wählen können — oder sollte es der bloße schmähliche Geiz sein, der, wenn er auch viel hat, niemals genug hat? Wer vermag das zu entscheiden. Der Reisende, den sein Weg in diese Gegenden führt, findet gast freundliche Aufnahme, aber freilich kann er nicht mehr fordern, als der Gastgeber selbst hat, nämlich Carne secco und Cassawemehl, welches aus sieht und schmeckt wie Sägespäne von Birkenholz, d. h. also, welches gar nicht schmeckt, keinen Geschmack hat. Hiervon lebt der reiche Mann sammt seinen Vacqueiros und Campistos, aber in der Regel ist der Reisende selbst mit einigen Lebensmitteln versehen, und der Besitzer des Landgutes wird ihm höchst dankbar, ja er wird sich reichlich belohnt und bezahlt dünken, wenn er ein paar Gläser Rum oder eine Handvoll Paraguai-Thee erhalten hat. Er selbst findet sich in dieser Lebensweise so vollkommen befriedigt, daß er kaum ahnt, wie wenig der Fremde seine Ansicht theilt, und daß er es ihm übel nehmen würde, wenn bei einer etwaigen Rückreise dieser Fremde nicht wieder bei ihm einkehren wollte. Eine der größten Beschwerden des Lebens auf diesen Besitzungen ist die nothwendige Art der Bekleidung. In den heißesten Gegenden sucht man so leicht gekleidet zu gehen, wie möglich; man wählt dünne, baum wollene Stoffe und macht die Kleider so weitläufig'als irgend möglich, Der Vacqueiro kann und darf dieses nicht, er muß dem entfliehenden Stiere durch Gesträuch und Gebüsch nachsetzen, muß ihm so nahe zu kommen suchen, daß die von ihm getheilten Gebüsche noch nicht zusammen schlagen, wenn der Hirte aus seinem flüchtigen Rosse sie durchsetzt. Aber diese Gebüsche sind meistentheils mit furchtbaren Stacheln bewehrt, oder es sind die schuppigen Palmenstämme und die dornigen Cacteen und Agaven der Katingas. Wie würden da beim ersten Ritt seine Kleider überall in Fetzen herumhängen, wie würde sein Körper zerrissen werden, wollte er denselben nicht schützen; so thut er es denn durch eng anliegende Kleidung, welche aus Leder gewissermaßen ans seinen Körper gegossen ist; so kann man sagen, denn der Anzug verbirgt keinen Muskel; das starke, aber bieg same Leder des halb ausgewachsenen Kalbes, der jungen Kuh, oder einiger