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Der Amazonenstrom. Die schwarzen Misse. 677 genügend mit dem Speichel des Mundes vermischt ist, dann wird dasselbe ausgespien in ein Gefäß und so lange fortgefahren, bis man glaubt genug dieser Masse zu haben für ein mehrtägiges Gelage. Man gießt mm lau warmes Wasser zu dem abscheulichen Brei und überläßt ihn einer bald eintretenden Gahrung, worauf er mit Cocosschaalen geschöpft und ge trunken wird. Die berauschende Wirkung ist begreiflicherweise nur schwach, da sie aber von diesem Göttertranke unaufhörlich zu sich nehmen und große Quantitäten verschlingen, so kommen sie doch zuletzt in einen solchen Rausch, daß die Weiber sich kratzen und die Haare zerraufen und die Männer sich schlagen und zuletzt zu den Waffen greifen, sich gegenseitig verstümmeln, morden, schlachten. Ist das Getränk ausgebraucht, so tritt allmälig die Erschlaffung und damit Ruhe und Schlaf ein, und sic er wachen erst nach mehreren Tagen, aber wie man sagt, ganz ohne die Übeln Folgen, die mit dem Rausche verbunden sind. Vielleicht kommt das daher, daß dieser Schlaf so lange dauert, sich also während desselben der angegriffene Körper wieder erholen kann. Südlich von der Guyana fällt der mächtigste Strom der Erde, der Amazonenstrom (Naranou, fließendes Meer) in den Ocean. Derselbe er hält seinen Ursprung an den schneebedeckten Gipfeln der Andes und wird demnächst von mehreren tausenden kleineren Flüssen genährt, die alle von Norden nnd Süden, Westen und Osten zuströmen und seine Wassermassc ans jedem Schritt vermehren. Zwischen ihm und dem Orinoco befindet sich ein höchst merkwürdiges Flußnetz, welches einen recht eigentlichen Be weis liefert, daß zwischen der gebirgigen Guyana und den Andcö sich Tiefland befindet. Der Rio Negro und der Cassiquiare bilden eine so vollständige Flußverbindung zwischen den beiden gedachten Hauptströmen, daß Humboldt aus dem Orinoco in den Amazonenstrom ununterbrochen schiffend gelangen konnte, und nirgends eine sogenannte Tragestelle ihn nö- thigte sein Boot zu verlassen und dasselbe ans die Schultern seiner Be gleiter zu laden. Dergleichen ist nur möglich in einem wirklich flachen Lande, in welchem die Wasserscheiden nicht Berge, sondern Sümpfe sind. Diese Gegend umfaßt auch die Region der schwarzen Flüsse, welche in allen Welttheilen wiederkehren, Flüsse, deren Wasser hell kaffeegelb ist, in der Masse aber und im Flusse gesehen, vollkommen spiegelnd schwarz erscheint. Diese schwarzen Flüsse entstehen aus dem Zusammentreten der Gewässer, die über Torf- und Sumpfboden schleichen, Pslanzenfarbstosse aufnehmen, von einer üppigen Vegetation umgeben sind, aber alles Lebens ermangeln. Nicht nur befinden sich in diesen Gewässern keine Fische, keine Gewürme, natürlich auch keine Raubthiere, weil cs ihnen an Nah-