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614 Tahiti daher jeden Umgang mit der niederen Klasse, der der Arbeiter, der die nenden, verschmähe. Diese letzte Klasse theilt die Schönheit der ersteren, aber sie ist nicht so groß und kräftig. Als die ersten Europäer dort landeten, sahen sie ein Völkchen von der äußersten Glückseligkeit, von den liebenswürdigsten Sitten, von einer Gntmüthigkeit, Freundlichkeit und Zuvorkommenheit, wie sie es noch nie gefunden, selbst die niedere Klasse war glücklich, sie war vielleicht die glücklichere, denn die Priester forderten nicht die erstgeborenen Kinder, um sie den Göttern zu opfern oder um sie, wenn es schöne Mädchen waren, für sich zu behalten. Das Grausame, das Entsetzliche dieser Sitte lag ganz besonders darin, daß man die ,Kinder den Eltern bis zur Zeit der Reife, der Mannbarkeit ließ und dann erst als Opfer einzog, welches den Göttern, oder was hier wohl die Hauptsache, den Priestern wohlge fällig war. Diese heiteren, glücklichen Menschen kamen den Besuchern mit Freund lichkeit entgegen und da sie, reine Naturkinder, die Sünde als solche nicht kannten, da sie in der Erfüllung der von der Natur jedem Geschöpfe ver liehenen Triebe keine Schande und kein Verbrechen sahen, so schenkten sie auch das Kostbarste, was sie besaßen, ihre Zärtlichkeit, den angekommenen Gästen, nichts zum Gegengeschenke fordernd, als dasselbe Glück, was sie gewährten. Dies Alles hat sich freilich sehr geändert, abgelebte Matrosen, Bösc- wichter, wie sie nur die englische SchiffSdisciplin erzeugt, haben sich, als Missionaire dort hin gesendet, es angelegen sein lassen, ihre Frechheit, ihre Trunksucht, ihre Lüderlichkeit, ihre Rohheit über dieses liebenswürdige, hcr- zensreine Völkchen auszustreuen. Jetzt allerdings findet man am Strande nicht mehr jene Grazien, welche uns Chpriani zu Cooks Reisen zeichnete (siehe das Bildchen der folgenden Seite). Jetzt sieht man nicht mehr so reizende Gestalten mit so sanften Zügen und so unschuldigen Mienen, jetzt sieht man durch Krankheiten verunstaltete freche Weiber ihre Reize und im Gefolge derselben ihre Verunstaltungen für Geld ausbieten, jetzt sieht man sie betrunken sich im Kothe wälzen, jetzt findet man auch keine Ehre mehr nnter ihnen, denn sie ist ihnen mit der neunschwänzigen Katze, welche der Missionair selbst schwingt mit großer Meisterschaft, da er sie ja oft genug gefühlt hat, ausgepeitscht worden. Durch Krankheiten aller Art ist die Bevölkerung bis ans den zehnten Theil ihrer früheren Stärke herab gesunken und alles das, was einst die Inselgruppen der Gesellschafts- und Sandwichsinseln so anlockend und wunderbar schön machte, ist unter gegangen, nicht, wie Frevler zu behaupten wagen, in der christlichen Reli-