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halten; man sieht während dieser Zeit in der Steppe fast nichts Lebendes außer den Thieren der Reisenden als gefährlich giftige Schlangen und diese in solcher Menge, daß man die Füße der Pferde und der Kameele mit Leder umwickelt, um den Biß unschädlich zu machen. Während des Winters erleidet man eine beinahe gleich entsetzliche Kälte und es fällt klaftertiefer Schnee, das Schlimmste aber sind die Schneestürme. Der Wind hebt die Schneedecke empor, stürzt sie wirbelnd weit fort und läßt sie irgend wo fallen, er verschüttet ganze Karavanen und bedeckt nicht selten große Dörfer, deren Bewohner untergehen würden, wenn sie nicht mit Lebensmitteln versehen wären und warten könnten, bis entweder ein neuer Sturm sie von der Schneedecke befreit oder bis das Frühjahr den Schnee zusammcnschmilzt. Vor diesen beiden, vor Hitze und Kälte geschützt, ferner verschanzt hinter steilen Felsengebirgen, zu denen nur Fußpfade führen, welche mei stens durch Nässe, durck aufgeweichten Thon ungangbar sind, Hau sen die wilden Völkerschaften auf ihren Bergfesten und sie sind in jedem Augenblick bereit, aus diesen herabzusteigen in die bewohnten Flächen, wenn sie die mindeste Nachlässigkeit in der Bewachung derselben wahr nehmen. Abgesehen davon, daß sie rauben und plündern, brennen und morden, führen sie auch noch Gefangene fort, um durch die Verwandten derselben hohes Lösegeld zu erhalten. Wenn sie nach solchem Raubzuge verfolgt werden und sie haben keine Aussicht, mit ihren Gefangenen zu entwischen, so tödten sie dieselben, hauen ihnen die rechte Hand ab und nehmen diese als Siegeszeichen mit; sie wird getrocknet, geräuchert und dann an die Pforte des Hauses genagelt. Recht fanatische Lesghier hef ten solche Siegeszeichen in der Moschee an. Eine wüthende Rachsucht kocht in diesen heißblütigen Menschen, die sogenannte Blutrache ist dort allgemein und wird mit solcher und noch größerer Abscheulichkeit ausgesührt, wie in Corsika. Eben so gefährlich sind diese Menschen durch ihren Fanatismus. Ein solcher Bergbewohner legt in der Moschee das Gelübde ab, eine gewisse Anzahl Feinde (welche er selbst bestimmt, denn der Schwur ist freiwillig und wird durch nichts ge fordert, er rührt nur von dem religiösen Fanatismus des Meuchelmörders her) zu tödten, von diesem Augenblick gehört er nicht mehr sich selbst an, sondern nur seinem Gelübde. Mit den nöthigen Lebensmitteln versehen, um sich einige Tage zu ernähren, legt er sich irgend wo auf einem Fuß steige oder in der Nähe einer Festung in Hinterhalt. Dort, in einem Busch versteckt, jedem Wandernden unsichtbar, wartet er unbeweglich gleich einem Jäger auf dem Anstand, auf irgend einen Menschen, der sich seinem Gewehre bloßstellt. Ist er im Stande gewesen, ein Opfer zu erlegen,