Volltext Seite (XML)
424 Tempelgesänge und Gebete. gezogenen Augenbrauen und vielen, vielen Falten auf der Stirn weiter sang, man könnte vielleicht eher sagen pfiff, so hoch und so kreischend waren seine Töne. Als es so weit gekommen war, entstand ein allgemeines Murmelm, die sämmtlichen Priester hatten ihre Gebetschnüre zur Hand genommen, welche ans 108 Kügelchen bestehen, an denen sie die Anzahl bemerken, in welcher sie ihr heiligstes Gebet vor die Ohren des großen Gottes gebracht haben; dieses Gebet lautet: „om ma, ni pack uia elloiu." Was es beden tet, weiß Niemand, wußte auch kein kalmückischer Priester anzugeben, viel leicht sind diese Silben nur deshalb zusammengestellt, weil auf solche Art dieselben hinter einander sprechend der Betende seine Lippen am anffal lendstcn bewegt. Lippcnbewcgnng ist aber Beten, gleichviel, was für Töne man dabei ausstößt. Dreihundert und vierundzwanzig mal waren diese Silben gesprochen worden, drei mal war der Nosenkrauz von Anfang bis zu Ende durch die Hände der Priester gelaufen, da schienen sie der Stärkung zu bedürfen und sie kam auch, zwei Männer erschienen mit einem Fasse voll Kumiß, d. h. gegohrener Stutenmilch. Unter den Kalmücken ist es Sitte, daß ein Jeder einen hölzernen flachen Napf, seine Speiseschüssel oder seinen Teller, bei sich trägt, gewöhn lich in dem Gewände am Busen, mitunter auch in ein Tuch geschlungen am Gürtel hängend; mit diesem Napf ist er gerüstet, sofort an jeder Mahl zeit thcilzunchmeu, welche ihm möglicher Weise begegnen könnte; ohne die sen Napf kann er es nicht, denn jeder Kalmücke hat nur den scinigen, nirgend ist einer überflüssig. Die Herren Priester holten mithin alle ihre Näpfe hervor und sprachen dem Kumiß fleißig zu, welches um so begreif licher war, als sie dreihundert und vierundzwanzig mal das gedachte Gebet geplappert hatten, der Mund ihnen also wohl trocken genug sein mochte. Als das Faß leer war, wurden die Schalen gereinigt, d. h. man leckte sie einfach mit der Zunge aus oder man strich mit dem Daumen alles Nasse zusammen und leckte dann den Daumen ab, hierauf wurde weiter gemurmelt und gebetet, bis die Mittagszeit herankam und nun ei» großes Faß mit Fleischsuppe und kleingeschnittenem Schaffleisch herein gebracht wurde. Auch hier wurden die Schalen zum Schöpfen und Trinken der Suppe gebraucht, das Fleisch daraus aber ganz einfach mit den Fingern genommen und zum Munde geführt, worauf, wie einer nach dem andcru gesättigt war, man die Schalen aus- und die Finger ableckte und sich dann wieder an das Beten begab; so ging es bis zum Abend, an welchem die beliebte, bereits oben beschriebene Theesuppe zum Vorschein kam.