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Audienz bei der Fürstin. 415 Entfernung folgte Kiesewetter als fürstlich kalmückischer Hofmaler, ihm folgten die beiden Diener mit Pinsel, Palette und Malkasten. Als sie dem Zelte nahe waren, zogen sich die Diener seitwärts, vor dem Maler aber flog die Eingangsdecke zurück und er trat mit nieder geschlagenen Augen ein, begab sich sofort nach der linken Seite der Thür und fand drei Schritte von derselben einen Teppich, für ihn ausgebreitet, worauf er sich kniend niederließ. Der Maler hatte nicht unterlassen können, unter den niedergeschla genen Augenlidern hervorzuschielen, um die Fürstin anzusehen, was er ohne Gefahr thun durfte, da sie selbst mit ihrem ganzen Hofstaat unbe weglich und mit wirklich ernsthaft niedergeschlagenen Augen dasaß. Der Dolmetscher hatte sich weiter nach der Mitte des Zeltes bege ben, woselbst er gleichfalls niederkniete, in der Nähe eines schönen Feuers, welches gleich dem in der niedrigsten Kalmückenhütte unterhalten wurde und dessen Rauch nicht den geringsten Respekt vor der Fürstin zu haben schien. Die kalmückische Etiquette gebietet, daß man schweigend in eine Ge sellschaft eintrete und schweigend darin verharre, bis man den ganzen Sinn des eben geführten Gesprächs in sich ausgenommen. Erst dann darf man sich in dasselbe mischen. Als endlich der Maler glaubte, nicht mehr zu verstoßen, wenn er die Augen aufschlüge, bemerkte er, daß die Fürstin es bereits gethan und daß sie ihn aufmerksam betrachtete; sie saß der Thür gegenüber mit unter geschlagenen Beinen auf einem niedrigen Divan und hatte über sich einen rothen, mit Bändern verzierten Thronhimmel, sie trug, ein längeres Ge wand, darüber einen kurzen Kaftan von gelber, mit Gold- und Silber- säden durchwirkter Seide, der von einem silbernen Gurt zusammengehalten wurde. Ihre Kopfbedeckung, eine rothe viereckige Mütze mit Vogelfedern geschmückt, bildete eine Art Krone, unter welcher ihr schwarzes Haar zu beiden Seiten des Gesichts herabfiel, es war zum Theil mit Sammet umwickelt, wohl nur um die Stelle zu verbergen, an welcher die starke Verlängerung der Zöpfe durch Pfcrdchaare, angebracht war. Am Divan zu beiden Seiten der Fürstin knieten zwei Hofdamen in Zangen blauen, mit rother Wolle gestickten Gewändern. Bor dem Divan stand der Thronfolger, ein etwa vierjähriges Knäbchen. Zu ihrer Rechten hatte die Fürstin einen Altar mit vielen metallenen Hausgöttern, die alle verschiedenfarbige Röckchen an hatten. Vor diesem Altar befanden sich Mehrere mit Schnitzwerk verzierte Tischchen, auf denen silberne Schalen standen, welche die Opfer enthielten. An den Seiten standen Kisten zum Transport der Sachen, sie waren mit Teppichen bedeckt, auch der Fuß boden war auf gleiche Weise mit Teppichen versehen.