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Eine Audienz bei dem Kalmückenminister Excellenz. 409 machen. Er sei nun auch hierher gekommen, nachdem er die Horden im fernen Westen in ihren Fürstenjurten (d. h. Stadt oder Residenz, denn Jurte ist nicht der Name für ein einzelnes Haus oder Zelt, sondern für eine große Menge derselben, von einer Mauer, von Pallisaden oder einer sonstigen Umzäunung umschlossen) besucht habe, auch die berühmten Horden der Kalmücken und Tataren in gleicher Weise aufzunehmen. Der Maler zeigte dann mehrere seiner Werke, tatarische Männer mit rasirtcn Köpfen und langen Bärten und ihre Frauen mit künstlich rothgefärbten Haaren und Fingerspitzen, ferner russische Bauern in ihren farbigen Kleidern, fer ner Pilger iin Kloster, die ihre mit Hanföl gewürzte Suppe verzehren, keusche Nonnen unter langen schwarzen Schleiern oder übermüthige Braut jungfern, welche die Hochzeitsgäste zum Dank für überbrachte Braut gescheute herzlichst küssen, eine Braut in Dalekarlien, von ihren Braut jungfern umgeben, mit bunten Glasperlen umhängt, mit einer goldpapier- ncn Krone geschmückt, aller Welt zur Schau öffentlich dargestellt, und eine tatarische Braut, tief verschleiert, geheimnißvoll in die dunkelen Gemächer des Brauthauses gebracht rc. Der Maler ließ nun durch seinen Dolmetscher sagen, solche Sitten- gemälde wünsche er auch bei den Kalmücken anzufertigen und er rufe dazu den Beistand seiner kalmückischen Excellenz und der ganzen Versammlung an. Er werde späterhin seine Wanderungen zu den übrigen Völkern der Erde fortsetzen, alle seine Bilder in einer großen Sammlung vereinigen und sie dann der Welt zum Nutzen vorlegen. Mannichfaltig seien die Gebräuche überall, aber nur wo sie kindlich geblieben seien, trügen sie »och zu dem Glück der Menschen bei, die tollsten Gebräuche fände man bei den Leuten, welche sich am klügsten druckten. Seine Bildersammlung solle Gelegenheit geben, sich gegenseitig kennen zu lernen und wenn sie dann mit einander Bekanntschaft gemacht hätten, wenn sie einander recht ver ständen, würden sie sich zu ihrem Heile endlich selber kennen lernen, wel ches gewiß das Vortheilhafteste für einen Jeden sei. Nachdem der Maler seine Rede beendet hatte, versammelten sich die Würdenträger des fürstlichen Hauses um den Minister in einem engeren Kreise, die mehrsten saßen, die Geringeren knieten auf allen Vieren (daher die obige Bemerkung, wie die Kameele) und nur die Allervornehmsten durf ten sich nach Belieben auf den Bauch oder auf den Rücken niederlegen. Jetzt kam auch die Frau Ministerin Excellenz zögernd znm Vorschein und stellte sich neben ihren Herrn, wie aus ihren freundlichen Gesichtszügen — in diesem Augenblick vom reinsten Blau des Himmelslichtes beleuchtet — schließen ließ, geneigt, das Gesuch des Malers zu unterstützen. Die Berathung war sehr ernst und siel keineswegs vollständig zu Linder- und Völkerkunde. gz