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thiere ihre reichliche Ladung haben. Im September kehrt der Aul eben so langsam nach seinem Winterlager zurück, gewöhnlich macht er einen Bogen, um nicht auf die nämlichen Stellen zurückkehren zu müssen, auf denen beim Abmarsch das Vieh geweidet hat, obschon unterdessen Gras und Kräuter wieder gewachsen sind; man glaubt, das Vieh fresse die Kräu ter nicht gern, über deren Schößlinge es einmal gegangen ist. Müssen die Leute desselben Weges zurück, weil auf den andern nicht die nöthigen Brunnen vorhanden sind, so Pflegen sie es so einzurichten, daß sie bei einem Marsche nach Norden nur die Gegend abweiden, welche ihren Brun nen zur Linken, d. h. also westlich von denselben liegt. Bei dem Rück marsch machen sie es denn eben so, da sie sich aber umgekehrt haben, so liegt das, was links von den Brunnen ist, jetzt nicht mehr westlich, son dern östlich von denselben und in Folge dessen haben sie für ihre sämmt- lichen Hecrden durchaus noch unbegangene Futterplätze. Bei diesen Wan derungen kommt es nicht selten vor, daß ein zweiter Nomadenstamm die Bahn des ersten rechtwinklig kreuzt, niemals aber wird dieser zweite Stamm auf dem Wege des ersten Halt mache», weder vor ihm, um dem selben nicht sein Futter zu schmälern, noch auch hinter ihm, weil er dann selbst nur abgeweidetes Land hätte, also kein Futter für sein Vieh fände. So erreichen nun gegen Ende des Herbstes alle Nomadenstämme ihren Wintcrsitz, dort schlagen sie ihre Zelte für vier bis fünf Monate auf, befestigen sie stärker als sonst, verdoppeln die Filzbehänge, um sich gegen die Unbilde der Witterung zu schützen, sie umgeben auch ihr Zelt in einem ziemlich weiten Kreise mit einer starken Hürde, wo hinein während der Nacht Schafe und Rinder kommen, indessen sie am Tage außerhalb ihr Futter suchen. Pferde bleiben Tag und Nacht außerhalb der Hürden, nähren sich selbst und wehre» sich auch ihrer Haut gegen Wölfe. Während der Nacht wird dem nach Hause kehrenden Vieh Futter in Ueberfluß gegeben, indem die Heuvorräthe, welche während des Sommers gemacht sind, in der Regel sehr reichlich ausfallen. Ist der Winter milde und wird die Steppe nicht mit Schnee oder Glatteis bedeckt, so bleiben diese Nomaden auch während des Winters nicht auf einem Flecke sitzen. Unter diesen nomadisirenden Völkern giebt es übrigens eben so gut Standesunterschiede, wie unter den civilisirten Nationen; sie haben einen Adel, welcher sogar von den Russen anerkannt wird, sie haben eine Art von Mittelstand, welcher die Rechte des persönlichen oder des erblichen Ehrenbürgerthums genießt, sie haben drittens einen Stand der Gemeinen, welcher etwa mit den Bauern zu vergleichen wäre. Merkwürdig ist, daß ihre Geistlichkeit nicht vermocht hat, sich zum ersten Stande aufzuschwin gen, wie cs bei vielen der civilisirten und nicht civilisirten Völker der Fall