Volltext Seite (XML)
370 Allgemeine Spionirerei. „Das Spioniren ist in Japan so in die Sitte und Gewohnheit über gegangen, ist so gesetzmäßig, macht so vollständig einen Zweig der Admi nistration aus, daß man dasselbe als die innere Politik des Landes bezeich nen kann. Ohne alle Uebertreibung darf man sagen, daß die eine Hälfte der Japaner die andere Hälfte bespionirt. Unsere hundert Leute mit zwei Säbeln waren sehr brav, anständig und gefällig, aber sie ließen uns nicht aus den Augen und schrieben immerfort ans ihre Fächer, wohin wir gm gen, was wir thaten, womit wir uns unterhielten, wonach wir fragten; demnächst waren aber noch sechs andere Spione da, welche diese ersten beobachteten, um zu sehen, wie dieselben sich ihrer Pflicht entledigten. Diese sechs waren nur die Spione in zweiter Potenz, vielleicht war irgend wo ein Bonze verborgen (denn wir wohnten ja in einem Bonzenkloster), welcher diese sechs Beobachter seinerseits wieder beobachtete. Dies wäre denn die Spionirerei in dritter Potenz gewesen. „Endlich wurde der Tractat unterzeichnet, nichts hielt uns mehr in Jedo zurück und der Gesandte setzte den nächsten Tag zur Rückkehr an Bord fest; wir verabschiedeten uns von den Regierungsbevollmächtigten und gaben uns ein Rendezvous in Paris, wobei uns der zweite Bevollmächtigte erklärte, daß er bereits zum Gesandten am Hofe der Tuilerien ernannt sei, das japanische Gouvernement werde andere Gesandten nach London, nach Petersburg und nach Washington senden. Wir frugen, wie die Ge sandtschaft sich nach Frankreich begeben wolle, ob über Suez oder über das Vorgebirge der guten Hoffnung, ob durch Packetboote oder durch ein französisches Kriegsschiff. „Der künftige Gesandte erwiederte, daß dieses auf einem japanischen Kriegsschiffe geschehen und daß er die Flagge seines Vaterlandes in Toulon vom hohen Maste wehen lassen werde. Als wir eines Artikels des Ver trages erwähnten, nach welchem die japanischen Dolmetscher verpflichtet seien, binnen fünf Jahren die französische Sprache zu lernen, erwiederte er in schmeichelhafter Weise lächelnd, er wisse sehr wohl, daß die fra» zösische Sprache in Europa am weitesten verbreitet sei und daß alle wohl erzogenen Menschen eine Ehre darin ^setzten, dieser Sprache mächtig zu sein. „Wir verließen einander unter Auswechselung der höflichsten Worte, nahmen noch ein vom Kaiser gesandtes Diner zu uns und beschlossen so unsere Arbeit, wie wir sie begonnen hatten, mit einer großen Schmauserei. „Der Kaiser machte einem jeden von uns ein Geschenk mit mehrere» Stücken des schönsten Seidenzenges als Zeichen des Friedens. Die japa nische Seide ist vielleicht nicht ganz so fein als die chinesische, sie steht ihr jedoch hinsichtlich der Farbenpracht in keiner Weise nach.