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22 Das Polarmeer und seine Gefahren. zwischen wogt das Schiff auf und ab, in jedem Augenblick bedroht, von zwei sich nähernden Schollen zerquetscht zu werden. Der tapfere Capitain und die wohlgeschulte Mannschaft, welche sehr gut weiß, daß von der genauesten Befolgung und der raschesten Ausführung der Befehle die ganze Existenz des Schiffes und der Mannschaft abhängt, thun das Möglichste, um diesen zerstörenden Gewaltthätigkeiten auszu weichen. Das Schiff folgt willig jeder Bewegung des Steuers und so lange man die Eismassen sieht, ist noch nicht alle Hoffnung verloren; aber nun kommt ein Eisfelsen, den man nicht sieht: ans der Tiefe herauf steigt eine, wenige Augenblicke vorher hinabgeschleuderte Scholle, sie hebt das Schiff am Bug empor, daß es dasteht wie ein sich bäumendes Pferd und man glaubt, cs müsse sich im nächsten Augenblicke überstürzen; oder die Scholle taucht am Spiegel des Schiffes empor und wirft das Steuer aus seinen Angeln oder sie legt sich neben dem Kiel unter eine der Flan ken und wirft das Schiff wirklich auf die Seite, so daß es mit Mann und Maus untergeht. Einen solchen Sturm beschreibt das Tagebuch ves „FuvestigatorS", von dem Dolmetscher Miertsching geführt. „Die Stöße des Eises waren furchtbar, der starke Wind trieb das Schiff sainnit dem Eise nordwärts gegen die felsigen, hundertzwanzig Fuß hoch senkrecht aufsteigenden Wände der Südseite einer Insel, welche den Namen Princeß-Royal-Island hatte. Um nicht an dieser steilen Felsen wand zu scheitern, wurde das Schiff unter entsetzlichen Anstrengungen init sechs Ankertauen au einer Eisscholle befestigt; wir kamen mit derselben den gefährlichen Klippen bis auf 50 Schritte nahe. Wir haben auf der See Stürme erlebt, wo beinahe alle oberen Masten hernnterbrachen. So angst voll ein solcher Sturm ist, so behaupteten doch alle Bewohner dieses Schis ses, daß zehn Seestürme nicht das Schreckliche und Entsetzliche in sich faß ten, was diese einzige Nacht über die Seefahrer gehäuft. „Siebzehn Stunden standen wir auf dem Berdeck, jeden Augenblick als den letzten unseres Lebens betrachtend. Eismassen, deren jede drei- bis viermal größer waren als das Schiff, wurden zusammcugeschoben, übereinander gethürmt und stürzten dann mit donnerähnlichem Gekrache zusammen. Milten in diesem Toben ward das Schiff jetzt auf die eine, dann auf die andere Seite geschleudert, hoch aus dem Wasser emporgeho ben und, sobald das sich aufstauende Eis sich selbst zermalmend zusammen stürzte, wieder hinabgeschleudert in das tobende Meer. „Die Fugen des Schiffes gingen auseinander und das gethcerte Werg fiel heraus, ja die Fässer im Schiffsräume fingen an zerdrückt zu werden. „Damit diese bei den Schwankungen des Schiffes nicht durcheinander