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In jedem Zelte der nomadisirenden Mongolen, eben so auch der Tataren befindet sich ein Schlauch von Pferdefell, welcher gesäuerte Milch enthält. Jeden Tag wird daraus geschöpft so viel wie die Familie ver zehrt und jeden Abend wird von Neuem Milch zngegosscn, welche über Nacht säuert und mit der anderen in geistige Gährnng übergeht. Bei der Verheirathung, das heißt wenn eine neue Familie begründet wird, ist ei» wesentliches, nie fehlendes Geschenk ein solcher Schlauch mit Kumiß, welcher aus den verschiedenen benachbarten Zelten durch freiwillige Beiträge gefüllt wird und zu welchem inan nun nur alltäglich neue Milch zuzuseßen braucht, um stets auf dem Stande des reichlichen Besitzes dieser Kostbarkeit z» verbleiben. Wird ein solcher lederner Sack (Sabo) mit frischer Stutenmilch gefüllt, so muß die Gährnng künstlich eingeleitet werden und da es dort weder Bier brauereien noch Fabrikanten trockener Hefe giebt, so pflegt man dieses so z» machen, daß man die Milch in dem Sacke sehr oft mittelst eines Stockes ninrührt, sie gewissermaßen peitscht. Es scheint hierdurch Sauerstoff in die Milch zu kommen, indem ihre Oberfläche vermehrt und sie mit der atmosphäri schen Luft häufig in Berührung gebracht wird. So behandelt ist die frische Milch sowohl sauer, als geistig, d. h. be rauschend. Läßt man dieses Getränk aber älter werden als drei Tage, z. B- etwa eine Woche alt, so erhält man ein sehr viel geistreicheres Produkt, welches an berauschender Kraft dem verdünnten Branntwein nahe kommt. Zugleich ist darin so viel Kohlensäure enthalten, daß die Flüssigkeit beim Cm- gießen in ein Gefäß sehr stark schäumt und ein äthcrartigcs Bouquet ent wickelt, welches durchaus nicht an die Bereitung im Lcderschlauche erinnert, wie dieses z. B. bei den Weinen Griechenlands der Fall ist, sondern ange nehm und duftig ist. Soll der Kumiß destillirt werden, um einen wirklichen Brauutweiii z» geben, so verfährt man etwas anders. Zu frischer Milch setzt mau de» Bodensatz aus einem Kumißschlauch, welcher Kor heißt und welcher die Säuerung oder Gährnng sehr schnell einlcitct; nachdem dieses drei Tage lang gewährt, ist die Milch stark sauer geworden, umschließt eine Menge Kohlen säure und ist nunmehr zur Destillation reif. Daß diese auf eine andere Weise betrieben wird, als bei uns, versteht sich von selbst, doch kann man sich ungefähr einen Begriff davon machen, wenn man sich die Destillation des Apothekers durch Retorte und Kolben vergegenwärtigt. Eine große irdene langhalsige Flasche wird zM Hälfte mit der gesäuerten Milch gefüllt, eine zweite, ganz ähnliche Flasche, nur mit weiterem Halse, wird so au diese erste gefügt, daß der Hals der selben in dem der andern steckt. Feuer unter der einen Flasche gemacht,