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Der LamaismiiS. 325 heilige Schrift, Schriftzeichcn, welche jedoch nicht Buchstaben, sondern Sil ben und daher so schwer zn lernen sind, wie die chinesischen Schriftzeichcn, oder wenigstens nahezu eben so, denn jedenfalls sind in der chinesischen Sprache viel mehr Zeichen vorhanden, sie bedeuten nicht blos Silben, sondern auch Begriffe, wodurch sie denn eben so sehr zusammengesetzt werden. Man pflegt die Religion Lamaismns zn nennen, dies kommt jedoch nur daher, daß ihr oberster Priester Lama heißt. Die Religion ist der eigentliche Buddhaismus, der hier in all' seiner eigenthümlichen Gestaltung und Pracht aufrecht erhalten worden ist und sich zn dem in Indien vor kommenden Bnddhaismns ungefähr so verhält, wie der Katholizismus oder die orthodoxe griechischen Kirche zu der vereinfachten protestantischen Glau benslehre. Es ist auch ziemlich nnzwcifclhaft, daß die tnbctanische Religio» aus Indien stammt, so wie denn die ganze tübetanischc Literatur nicht Ori ginal ist, sondern aus Uebersctznngen besteht, welche dem Sanskrit oder irgend einer anderen indischen Sprache entlehnt sind. Eine profane Literatur giebt cs gar nicht. Die Bnddhalehrc nimmt eine» Gott an, welcher ans Erden wohnt, in Tübet heißt dieser Gott Lewa und sein Wohnort im Menschen heißt Lama und zwar, da die Priester alle eigentlich Lama genannt werden, so heißt er oberster Lama, Dalai-Lama. L'aca theilt sich gewöhnlich in zwei verschiedene Hälften, die Hanpthälfte bewohnt den Dalai-Lama, den zweite Hälfte den Bogdo-Lama, der auch Tischn-Lama heißt. Früher standen diese beiden Hälften des Gottes häufig in Streit mit einander, seit einem Jahrhundert etwa hat sich dieser Streit so ausgeglichen, daß die beiden Lama friedlich neben einander wohnen und ihre beinahe ge sonderten Staaten beherrschen, ohne einander je mehr in die Quere zu kommen. Der Gott in dem Lama ernennt diejenige Person, in welche er nach dem Tode der jetzt bewohnten übergehen will, so zur rechten Zeit, daß sie vorhanden ist, genügend bezeichnet beim Absterbcn. Ist cs zufällig nicht der Fall, hat Lewa, der Gott im Lama, für seinen Nachfolger zu sorgen vergessen (auch einem Gott kann demnach etwas Menschliches begegnen), so wählen die nächsten obersten Priester ein Kind, welches den Gott auf- nchmcn wird. Woran sie dasselbe erkennen, ist bis jetzt noch ein Gchcim- niß, es ist aber selten, daß dieses vorkommt, gewöhnlich bestimmt der "ama selbst, wer ihm Nachfolgen soll und, sonderbar genug, es ist nicht etwa der würdigste, älteste der Priester, den er wählt, sondern ein ganz junger, häufig sogar noch nicht dem Knabenalter entwachsener, doch jeder-