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Denkmale der Kunst in Indien. 313 nicht sowvht unterirdische Höhlungen, als vielmehr Tempel, welche aus der Felsmasse des Gebirges an Ort und Stelle gemeißelt sind, so daß auf Meilcn- weite der Berg verschwunden ist und die aus ihm gemeißelten Tempel stehen geblieben sind. So ist cs z. B. bei Ellur (Eloora) in der Provinz Aurnn- gabad, wo auf zwei Stunden Breite ein hufeisenförmiges Gebirge verschwun den ist und an seiner Stelle viele Tausende von Tempeln stehen, indem bei nahe jede indische Gottheit daselbst ihren Tempel hat. Selbst die Brahmincn, welche man für die Gelehrtesten hält, wissen nichts von ihrer Entstehung, und Europäer, welche sic gesehen, glauben, daß Tausende von Jahren erfor derlich gewesen sind, um sie ausznmcißcln, welche Meinung um so mehr ge rechtfertigt ist, als diese Tempel inwendig und auswendig mit unzähligen Figuren von unten bis oben bedeckt sind. Dabei müssen die Meister eine seltene Kunstfertigkeit gehabt haben, denn die mchrstcn Sculptnren sind recht eigentlich schön und so weit sie Thicre berühren, künstlerisch in solchem Grade vollendet, daß man es kaum begreift, wie es möglich gewesen ist, dergleichen durch die rohen ungebildeten Menschen entstehen zu sehen. Es befindet sich unter Anderm dort ein riesiger, völlig freistehender Elephant und neben ihn: ein Junges. Die Stellung, das, was der Künstler Gruppirung nennt, ist so außerordentlich natürlich, daß man glaubt, die beiden Thiere mit einander spielen zu sehen. Das Wunder erklärt sich einfach dadurch, daß mau nicht annimmt, es sei ein rohes, ungebildetes Volk, welches die Knnstdenkmalc hinterlassen, son dern im Gcgentheil ein hochgebildetes gewesen, dessen Nachkommen nur von dieser Stufe herabgestiegcn sind. Es ist genau dasselbe, als wollte man sich wundern, daß die italie nischen Hechel- und Mansefallcnkrämer und Gipsfignrcngießcr oder die griechischen Viehtrciber, See- und Straßenräuber so herrliche Bauten geschaffen haben, wie wir sie in den Trümmern von Athen und Korinth noch finden. Diese Räuber und diese Hechelkrämer wären dessen freilich nicht fähig gewesen, aber die Völker, ans deren Händen jene Tempel und Theater hervorgingen, standen ans dem Gipfelpunkt der Bildung in Kunst und Wissen und es ist wahrlich nicht ihre Schuld, daß ihre Nachkommen so entartet sind. Eben so wunderbar, wenn nicht ganz so großartig, sind die Tempel, welche unmittelbar vor der Stadt Bombay auf den beiden Inseln Salscttc und Elephantinc liegen. Beide Inseln bestehen jede aus einem mächtigen, einzeln hoch emporragenden Felsen und diese Felsmasscn find durch und durch so ausgehöhlt, daß man die wunderbarsten Tempclstrecken innerhalb eben dieser Felsen findet. Sic haben eine Ausdehnung, von der man sich gar Länder- und Völkerkunde.