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Pagoden. Opfer. Menschenopfer. 311 Geldopfcr werden nie gefordert, doch von dem gläubigen Volk stets in solcher Menge gebracht, daß die Pagoden sämmtlich über alle Begriffe reich sind, wohl aber giebt cs andere Opfer, welche gefordert werden, z B. daß man die schöne Tochter dem Dienste des Gottes weihe oder daß man sich selbst den Tod gebe, was dadurch auf eine Gott gefällige Weise geschehen kann, daß man sich im Ganges badet, wo liebenswürdige Krokodile (die Schooßkinder der Götter) auf Beute warten, oder dadurch, daß man sich unter die Räder des Wagens wirst, welcher den Gott in Prozession um die die äußere Mauer der Pagode führt, so z. B. geschieht zu Jagrenat; auf einem sehr breiten Gestelle von Holz, mit einigen dreißig Rädern versehen, steht ein schwerer Thurm von achtzig Fuß Höhe, ganz durchbrochen, neun Gallerien über einander enthaltend, Säle, welche den ganzen Querdurchschnitt des Thurmes einnehmcn und in welchen die Devedaschies üppige, prächtige Tänze aufführen. An diesen Wagen spannen sich, mit langen Seilen ver sehen, mehrere tausend Menschen, und glücklich schon ist der, welcher ein solches Seil berührt und ziehen helfen kann, häufig aber stockt der Wagen und dann rufen die Priester, der Gott sei erzünt, weil sein Weg so staubig sei; alsbald stürzen die älteren Personen herbei und drängen sich unter die Räder des Wagens und lassen sich von denselben zermalmen. Diese jähr lich wiederkehrende Prozession soll häufig fünf bis sechs tausend Menschen leben kosten. Man nennt dies nicht Menschenopfer, weil die Leute nicht mit dem Messer geschlachtet werden, sondern sich selbst den Tod geben und doch dürfte cs sehr- schwer sein, diese Abscheulichkeit anders zu bezeichnen. Hier finden die Scha kale und Hyänen so reiche Beute, daß man sagt, sie seien lebenden Menschen niemals gefährlich, weil sic immer gesättigt sind. Der Raum um diese Pa gode ist auf Stunden weit mit Menschenknochen besäet. Diese Abscheulichkeiten haben in einer eigenthümlichen Lebensanschauung einen gewissen Sinn, eine Art von Berechtigung. Nach dieser Anschauung gehört die Welt der Jugend, der kräftigen, fortpflanzmigsfähigcn Menschheit. Was nicht zum Zwecke der Vermehrung beitragen kann, stiehlt seinem Platz einem nützlicheren Mitglieds ab, deshalb verbrennen sich auch die Wittwen. Bleiben sie leben, so sind sie dem ehelosen Stande verfallen, denn kein In dier heirathet eine Wittwe, es verbietet ihm dies die Religion, sie verlangt, daß seine Gattin eine Jungfrau sei, die Wittwe ist also ein unnützes Ge schöpf, sie muß die Welt verlassen, gerade so gut, wie ein alter Mann oder eine alte Frau. Um nun dieses freiwillige Opfer des Lebens dem Darbringer zu ver säßen, steht ihm die Aussicht bevor, daß er, zermalmt von den Rädern des