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Angebliche Sittenlosigkeit. 305 wie er noch am Ende des vorigen Jahrhunderts auf den Inseln des stillen Meeres, ja wie er noch am Anfänge dieses Jahrhunderts durch Chamisso ebendaselbst gefunden worden ist. Aber so gut wie die Bewohner von Otahaiti durch die cngländischcn Missionaire zu Heuchlern, Säufern, Dieben und lügnerischen Wichten ge worden sind, eben so sind durch die Bemühungen ihrer Unterdrücker, durch Portugiesen, Holländer und Engländer, die einst so glücklichen Indier voll ständig moralisch zu Grunde gerichtet, dergestalt, daß sie jetzt eben so gut zu lügen, zu betrügen, zu verleumden, zu heucheln verstehen, wie ihre Un terdrücker. Von ihrer Sitten losigkeit erzählen die Eng länder Wunderdinge und sie führen die Bajaderen als Beweis an. Der Name an sich ist dort gar nicht bekannt, diese Mädchen heißen Devc- daschies, d. h. Gottestün- zerinnen. Der Tanz ist ein Theil des indischen Kultus, namentlich des jenigen, der den Gott Schiwa über alle anderen stellt. Schiwa, der Zer störer, ist dicpcrsonificirte Wollust, die Tänzerinnen sind seine Dienerinnen, die Geliebten des Gottes und der Priester lehrt, daß cs Schiwa wohlgefällig sei, wenn man seinem Beispiele folge; so ist cs denn kein Wunder, daß bei den heißblütigen Indiern diese Tänzerinnen bei allen Vergnügungen eine Hauptrolle spielen. Bei allen religiösen Festen läßt der Priester ans den Plattformen der Tempel die üppigsten Tänze aufführen, zu allen Privatfcstlichkeitcn vermiethct er die Tänzerinnen gegen schöne goldene Rupien an die Fcstgeber; wenn nun die Gäste sich mit den schönen, geheiligten Mädchen sonst noch unterhalten, so ist das ihre Privatangelegenheit, so wie die Geschenke, welche die Tänzerinnen dafür bekommen, auch wieder deren Privateigenthnm bleiben. Dies ist alles, was die Engländer von Schändlichkeit und Sittenlosigkeit den Indiern nach zuerzählen wissen, sie lassen sich selbst aber gar nicht abhalten, eine solche sittenlose Tänzerin zu heirathen und sic und ihre Schütze mit nach Europa zu nehmen und in die vornehmsten Gesellschaften zu führen, falls der Erwerb,