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nicht vertheidigen könne». Das schöne Land hat die Habsucht fremder Rim bcrfürsten gereizt und sic haben sich zuerst den Mongolen, dann den Per fern, dann den Afghanen, dann den Sikhs unterwerfen müssen, vielleicht werden diese von den Engländern abgelöst, welche bereits bis an ihre Gren zen gerückt sind und die Fürsten von Lahore und Delhi nicht sowohl unter ihre Flügel, sondern unter ihre Klauen genommen haben, wie man sagen muß, da ihr Wappenthicr nicht ein Vogel, sondern ein vierfüßiges Raub thier ist. Das Land ist voll von den Trümmern alter Tempel, prächtiger Mo scheen, großer Paläste und Denkmäler, an die Vesten ihrer Unterdrücker haben sich die armen Bauern ihre Hütten gebaut, sie pflegen eine Ziege, welche unter ihren längeren, geraden Haaren eine überaus feine, zarte Wolle trägt, die berühmte Kaschmirzicge; mit ihren feinen, zarten Fingern spin nen die jungen Mädchen diese Wolle zu den feinsten Fäden, die Frauen färben sie mit allerlei thcilü mineralischen, thcils Pflanzenstoffcn, die Man ner sitzen zu dreien an einen sehr großen, aber höchst einfachen Webestnhb zu welchem ein vierter das Muster angiebt und die dazu erforderlichen Schnüre zieht, indessen die drei an den Webcstuhl sitzenden Leute mit ihren Schiffchen den Einschlag machen und die Fäden mittelst des Rechens fest festdrücken, nicht schlagen, denn solche Manipulation hält Wohl der Leinen- faden aus, nicht aber die feine, weiche Wolle der Kaschmirzicge. Sonstmals waren 16- bis 18,000 solcher Webestühlc im Gange und lieferten jährlich gegen 40,000 prachtvolle große Shawls, welche nach Per sien, der Türkei und nach Europa gingen. Seitdem man aber in Frank reich und Deutschland diese Shawls in gleicher Schönheit macht, so daß sie sich von den ächten nur dadurch unterscheiden, daß sie bei weitem ge schmackvoller sind, dabei aber kaum den zehnten Theil des Preises eines ächten haben, ist dieser Gewerbszweig so gesunken, daß kaum noch 6000 Webestühlc im Lande sind. Die Arbeit ist eine gewaltig mühsame, ein schöner Shawl giebt vier Menschen während eines halben Jahres vollauf zu thun; Shawls von be sonderer Größe fordern noch um die Hälfte mehr Zeit. In ganz ähnlicher Weise sind die übrigen nach Süden zu abfallenden Theile des Hochgebirges geschaffen, so Gurhwal, Nepal, Bothan, welche alle dieselbe Pracht der Vegetation, dieselbe Mannigfaltigkeit derselben, welche überhaupt ein ähnlich glückliches Clima und in diesem wohnend kräftige, tapfere aber mcistenthcils räuberische Menschen haben. Sehen wir ab von diesem gebirgigen Theile unserer subtropischen Zone, so haben wir das eigentliche Indien vor uns, welches nur mit seinem süd lichen spitz zugeschrägten Theile in die heiße Zone reicht.