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14 Die Polarzonen. nur diese furchtbare Temperatur auszugleichcn, das Eis bis auf 0 Grad zu erheben, von wo erst die Möglichkeit des Schmelzeus eintritt. Um dies zu erläutern, um eine Andeutung zu geben von jener dort heimischen Kälte, wollen wir nur ein Beispiel anführen. Wenn wir in unserem Winter einen weiten Weg geinacht haben und durstig geworden sind, so nehmen wir eine Hand voll Schnee, nehmen denselben in kleinen Portionen ans die Zunge, lassen ihn zerfließen und löschen so unseren Durst. Der arctische Wintcrschnec mit seiner grimmigen Kälte würde Demjenigen, der ihn mit der Hand aufnchmen wollte, Brandblasen verursachen, die furchtbare Kälte zerstört den Zusammenhang der Haut und bringt das Gefühl des Verbranntseins hervor. Dieser Schnee darf allerdings in ganz kleinen Partikclchen in den Mund gebracht werden, ohne diesen zu ver letzen, aber die Wärme, welche verbraucht wird, um ihn zu schmelzen, wird dem Körper entzogen und der geschmolzene Schnee, welcher seiner ge ringen Menge wegen ohnedies nur einzelne Tröpfchen Wasser hergiebt, ver mehrt den Durst auf eine höchst peinigende Weise, statt ihn zu stillen. Wenn nun nach halbjähriger Abwesenheit die Sonne über den Hori zont steigt, so hat sie vorläufig gar keine Wirkung. Nach und nach ent wickelt sie Dämpfe, welche, bei der äußerst kalten Luft sogleich niedergeschla gen, zu Nebel, zu Wolken werden, zu Wolken, welche auf der Erde lagern und die Sonne hindern, ihre Wirkung auszuüben. Wenn diese endlich zwei Monate nach ihrer ersten Erscheinung sich so weit erhoben hat, daß ihre Strahlen einige Wirkung zeigen, so schmilzt sie die Oberfläche der Eisfelder allerdings, aber sind diese einmal einen Fuß hoch mit Wasser bedeckt, so hört wieder alle fernere Wirkung ans, denn die Sonnenwärme wirkt lediglich von oben nach unten, so aber leitet das Wasser die Wärme nicht. Bei einem Eisenstabe ist es gleichgültig, welches Ende man glühend macht, das obere oder das untere, man wird immer einen halben, einen ganzen Fuß von dem glühenden Ende eine Temperatur erhöhung wahrnehmen und den Grad derselben durch ein Meßinstrument feststellen können. Nicht so mit dem Wasser. Wenn man ein Probirgläschen mit Wasser bis zum Rande anfüllt und irgend eine Wärmequelle unter demsel ben anbringt, so wird seine Temperatur von unten nach oben immerfort steigen. Kehrt man das Verhältniß um, so wird man ein solches Steigen nicht wahrnehmen. Die Wärme pflanzt sich durch das Wasser abwärts nicht fort, dies ist der Grund, warum man jene ausgedehnten Felder auch im Sommer ohne alle Gefahr, wiewohl keineswegs ohne die größten Be schwerden, bereisen kann. Wenn unsere Flüsse, vom Winter her mit Eis bedeckt, die Sonnenwärme zu spüren beginnen, so überstauen sie mit Wasser,