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Sommerhitze von ;ehn Grad über Null. 229 sondern im Gegentheil etwas Pfiffiges und Verschmitztes darin. Die Ver zierungen in den Mundwinkeln sind dadurch angebracht, daß sie Löcher in die Backen geschnitten haben, in welche sie runde Stücke von Wallroß- zähncn so stecken, wie die Botokuden ihren Holzpslock in die Ohrläppchen oder in die Unterlippe. Welch' eine Macht die Gewohnheit über den Menschen hat, sahen die Reisenden dort. Es war zwar Sommer, aber die Temperatur betrug um die Mittagszeit und im Sonnenschein doch nicht mehr als 10 Grad C. und dennoch gingen diese Leute fast nackt, durchweg barfuß, ohne Kopf bedeckung und mit einem Kleide, welches sic Kamleika nennen und welches aus der feinen Darmhaut verschiedener Robben und Seehunde gemacht ist. Die Kleidung besteht ans spiralförmig an einander genähten, kaum handbreiten Streifen, welche so dünn und durchsichtig sind, daß man dar unter den nackten Körper sehen kann. Das Kleidungsstück soll wasserdicht sein, aber gegen die Kälte kann es unmöglich schützen und doch war es den Leuten nicht nur genug, sondern es war den mehrsten zu viel bei der unbequemen Hitze von 10 Grad! Allerdings ist die gewöhnliche Tempe ratur 20 Grad unter Null und die ungewöhnliche wohl 40 und 50, und so wird denn ganz gut erklärt, wie sie 10 Grad über Null für sehr heiß ansehcn mögen. Ein solches Kleid aus Därmen genäht ist eine Arbeit, selbst für die fleißigste Eskimofrau, von Wochen, ja von Monaten. Der Taback ist ihnen aber ein so kostbares Gut, daß sie unbedenklich die schönste Kamleika weg geben für eine kleine Hand voll Taback. Capitain Kotzebue war der Meinung, hier einen Sund, eine Einfahrt zu einer neuen Meeresstrecke zu finden, wie wir bereits oben gesehen haben, und fuhr also in diesen Sund, der seinen Namen trägt, hinein, immer in der Hoffnung, eine Durchfahrt zu finden. Es wurde mit Boo ten sowohl als zu Lande nach allen Richtungen hin gefahren, cs wurden Berge bestiegen und beinahe immer kam man auf den Gedanken zurück, es müsse irgend wo eine Durchfahrt sein und deshalb wurden auch die Ein geborenen darüber examinirt; allerdings wollte es nicht gar zu gut mit dem Verständniß gehen, endlich gelang es Chamisso, sich verständlich zu Machen. Er sagt hierüber: „Wir warfen die Anker, als es dunkelte, und wurden von Eingebornen besucht; es geschah an einem Vorgebirge, von welchem aus der Capitain einen Kanal in das Innere des Landes verlaufen zu sehen glaubte." (Weil dieses sich als unrichtig erwies, nannte man es späterhin Cap des Betruges.) „Es war schon spät am Nachmittage und man konnte kaum noch die Landung bewerkstelligen. Der Capitain versuchte vergeblich, sich