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Tänzerinnen bei den Tschuktschen. 213 die er nicht zu ernähren, sondern nur für ihre Dienste zu beschenken braucht. Bei jeder Festlichkeit, die immer gehalten wird, wenn ein Nachbar den andern besucht, spielen diese Tänzerinnen so gut eine wichtige Rolle, wie in Indien die Bajaderen (so heißen sie aber freilich nicht, sondern Dewcdaschis, Gottestänzerinnen), welche gleichfalls bei Privatfestlichkeiten aus den Pagoden geholt, zur Unterhaltung der Gäste dienen. Dort wie hier ist es der Tanz, für den sie gemiethet werden, sie bleiben aber ohne Bedenken auch noch zu anderen Zwecken in der Wohnung, in welcher sie getanzt haben. Aber was ist das für ein Tanz! Man muß sich zwar unter dem Tanz der Bajaderen durchaus nicht das vorstellen, was wir etwa in einem Ballet zu sehen bekommen, das in Indien spielt, doch sieht man überaus reizende Gestalten in den anmuthigsten Bewegungen mit den weichen Armen, mit dem schmiegsamen Körper, irgend einen indischen Roman auf führend, wobei man zwar nicht jene unanständigen Stellungen mit den Beinen, die gleich Wegweisern in die Luft gestreckt werden, dagegen desto amnuthigere graziöse Stellungen und Bewegungen sieht. Die Tänzerinnen der Tschuktschen sind etwas anderer Art. In Pelz gekleidet von Kopf zu Füßen, durchaus unförmlich gestaltet, stehen sie in einem Kreise ungefähr so weit von einander, daß sie sich nicht mehr mit den Händen erreichen können. Nun trippeln sie, springen sie, knicken sie mit den Füßen, Knien, Hüften und hauen sie mit Händen und Füßen um sich, schreiten auch ganz kurze Strecken vor und zurück, schneiden die gräu lichsten Grimassen, verdrehen die Augen, reißen den Rachen auf, blöken die Zähne und geben in Schreien, Grunzen, Quiken und Händeklatschen die Musik zu ihrem Tanze, welche die Zuschauer um so mehr entzückt, je mehr die Tänzerinnen in Schweiß gerathen, so daß sie nach und nach während des Tanzes die mehrsten ihrer Kleidungsstücke ablegen, von sich werfen, bis sie beinahe eben so nackt sind, wie die Frauen im Zelte, welche mit ihren Männern dem interessanten Schauspiel zusehen. Je nach der Freude, dem Entzücken, welches der liebliche Anblick bei den Männern erregt, beschenken sie die Tänzerinnen mit Taback, mit Glas perlen, mit Branntwein, auch wohl für größere Dienste mit einem Renn- thier- oder einem Wolfsfell. Wie sind die Begriffe so verschieden; ein Türke, welcher zum ersten Male ein Ballet in Paris oder Berlin sähe, würde vor Entsetzen über die abscheuliche Entheiligung des weiblichen Geschlechts aufspringen und das Haus mit Abscheu verlassen; wir Europäer, die wir nach der Türkei kämen und dort junge griechische Knaben die Rolle der Mädchen übernehmen